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Das Ringen um Erneuerung

Mitarbeiter des Verfassungsschutzes klagt gegen seine Versetzung. Hintergrund des Rechtsstreits ist die Frage: Ist das skandalgeschüttelte Amt wirklich aufgelöst worden – oder nur umbenannt?

von PLUTONIA PLARRE

Auch wenn es nach außen den Anschein hat: Bei dem einstmals so skandalgeschüttelten Berliner Verfassungsschutz ist keine Ruhe eingekehrt. Einer der Mitarbeiter, die im Zuge der Personalreform in eine andere Abteilung der Innenverwaltung abkommandiert worden sind, hat jetzt gegen seine Versetzung beim Verwaltungsgericht geklagt. Wenn er Recht bekommt, werden wohl andere ebenfalls klagen.

Dass die Reform des Verfassungsschutzes dadurch gefährdet ist, glauben Rechtskenner jedoch nicht. „Je mehr klagen, desto geringer ist die Erfolgsaussicht. Denn im Grundsatz ist unstreitig, dass eine personelle Veränderung erfolgen muss, um den Augiasstall Verfassungsschutz auszumisten“, sind Verwaltungsjuristen überzeugt.

Als Konsequenz aus zahlreichen Affären war das bislang eigenständige Landesamt für Verfassungsschutz Ende vergangenen Jahres aufgelöst und in eine eigene Abteilung der Innenverwaltung umgewandelt worden. Neue Chefin wurde die 44-jährige Claudia Schmid. Auf der früheren stellvertretenden Datenschutzbeauftragten lastet die schwere Aufgabe, die skandalgeschüttelte Truppe auf Vordermann zu bringen. Um in der Behörde für frischen Wind zu sorgen, wurde die Zahl der Mitarbeiterstellen von 244 auf 197 Stellen reduziert. Entscheidender für die Reform ist aber, dass sämtliche Stellen bundesweit neu ausgeschrieben wurden. Auch die alten Mitarbeiter, die in den Personalüberhang des Landes Berlin aufgenommen worden sind, können sich bewerben. Die Mehrzahl von ihnen ist einstweilen noch beim Verfassungsschutz beschäftigt, weil das Einstellungsverfahren noch nicht abgeschlossen und über die weitere Verwendung noch nicht entschieden ist.

Zu den wenigen Beschäftigten, die bereits in einen anderen Bereich der Innenverwaltung verschubt worden sind, gehört auch der Mitarbeiter, der jetzt klagt. Der Mann war 26 Jahre beim Verfassungsschutz tätig. Sein Anwalt, Johann Schmidt-Drachmann, stützt die Klage auf das Landesbeamtengesetz. Eine Versetzung oder Abordnung eines Beamten sei nur dann möglich, sagt Schmidt-Drachmann, wenn die bisherige Dienststelle aufgelöst werde und die frühere Aufgabe des Mitarbeiters entfalle. „Der Verfassungsschutz ist aber weder aufgelöst noch sind die Aufgaben verändert worden. Er wurde lediglich bei der Innenverwaltung angesiedelt.“ In dieser Annahme fühle er sich auch deshalb bestätigt, weil er „unter der Hand“ erfahren habe, dass „mehr als 90 Prozent der alten Mitarbeiter auf ihren Posten bleiben“, so der Anwalt. Die Sprecherin des Verfassungsschutzes, Isabell Kalbitzer, dementierte dies gestern mit dem Hinweis: „Die überwiegende Zahl der Einstellungen ist noch nicht abgeschlossen.“

Der Verfassungschutzexperte der Grünen, Michael Cramer, freut sich über den spannenden Rechtsstreit. „Die entscheidende Frage ist, ob das alte Landesamt für Verfassungsschutz wirklich aufgelöst worden ist oder ob die Institution nur einen anderen Namen bekommen hat.“ Auch der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, sieht die Sache gelassen: Wenn die Innenverwaltung pausibel machen machen könne, dass es bei der „Berliner Skandalbehörde Nummer eins“ eine grundsätzliche Neuorientierung gegeben habe, habe das Land „gute Chancen“, den Rechtsstreit zu gewinnen.

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