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„NTV ist keine Makkaronifabrik“

Der Erdgasgigant Gasprom soll im Auftrag des Kreml den wichtigsten unabhängigen Fernsehsender Russlands in die Knie zwingen. Ein Gespräch mit dem Komiker Viktor Schenderowitsch über Boris Jordan, Ted Turner und den Ernst der Lage

Viktor Schenderowitsch hat bei NTV jede Woche seine eigene politisch kommentierende Sendung, außerdem schreibt er regelmäßig Drehbücher für die Sendung „Puppen“ – ein russisches Gegenstück zum britischen „Spitting Image“. Schenderowitsch arbeitet zwar freiberuflich, aber er betrachtet sich als Teil der NTV-Mannschaft. Am Wochenende trat er in Berlin auf.

taz: Es scheint, als habe Ihnen Gasprom mit dem US-Manager Boris Jordan bewusst einen anrüchigen Partner vor die Nase setzen wollen.

Schenderowitsch: Natürlich. Eine Fernsehanstalt ist keine Makkaronifabrik. Wenn man sich wirklich die Aufgabe gestellt hätte, den Fernsehkanal besser zu machen, hätte man gute professionelle Journalisten für seine Leitung suchen müssen. Aber das ist ja gar nicht die Aufgabe, die sich diese Leute stellen. Sie wollen NTV weder verbessern noch für eine andere politische Richtung mobilisieren, sondern sie wollen es ganz einfach kaputtmachen. Deshalb hat man für diese Aufgabe diese Killer ausgewählt, die den Sender nun durch finanzielle und organisatorische Maßnahmen liquidieren sollen. Man wirft unserem Kollektiv in der Presse bisweilen vor, wir hätten uns vom Generaldirektor Jewgeni Kisseljow zu Zombis machen lassen und würden ihm blind folgen. Aber es geht nicht um persönliche Beziehungen. Ich weiß nur, dass ich in dem Jahr, in dem ich jetzt unter Kisseljow arbeite, vergessen habe, was Zensur ist. Und deshalb gefällt er mir als Chef.

Gasprom-Medienchef Koch hat nun gesagt, man wolle Kisseljow lediglich die administrative Arbeit ersparen, damit er sich mit voller Kraft seinen journalistischen Aufgaben widmen könne.

Das ist doch Heuchelei. Das ist doch klar: Wenn diese Leute die finanziellen Hebel der Gesellschaft in ihre Hände nehmen, dann bedeutet das, dass Kisseljows Programme früher oder später gekippt werden. Gegen NTV kämpft nun schon ein Jahr lang der ganze Staatsapparat: die Staatsanwaltschaft, die Steuerbehörde, Gerichte, diverse Aktiengesellschaften und der Präsident selbst und die Duma. Kaum hatte uns Ted Turner sein Geld angeboten, da hat die Duma am Freitag gleich ein Gesetz verabschiedet, demzufolge ausländisches Kapital in Russland keinen Fernsehkanal kaufen darf. Gegen uns arbeitet eine gut organisierte Maschinerie.

Eben hat die bisherige NTV-Führung wieder Verhandlungen mit Gasprom aufgenommen, ist das nicht auch ein Schritt weg von der Unabhängigkeit?

Es wäre merkwürdig, wenn NTV mit Gasprom als seinem größten Gesellschafter nicht verhandeln würde. Wir wollen aber zwischen den Rechten der Gasprom als Hauptaktionär und ihrem Versuch, uns eine neue Führung zu verpassen, unterscheiden. Das Ganze fängt damit an, dass es auf der Aktionärsversammlung am vergangenen Dienstag zu eklatanten Rechtsverletzungen gekommen ist. Wahrscheinlich hat es nicht einmal ein Quorum gegeben. Wir haben uns deswegen jetzt an den obersten Gerichtshof gewandt.

Was für weitere Aktionen planen Sie jetzt?

Wir haben eine Position, und die werden wir vertreten. Wir planen keinen physischen Widerstand, aber ich bin mir sicher, dass der Großteil der NTV-Mitarbeiter keinerlei Weisungen der neuen Führung befolgen wird.

Der dem Medienunternehmer Boris Beresowski unterstehende Sender TV6 hat nun angeboten, den Kern der NTV-Mannschaft zu übernehmen.

Das Angebot ist uns tatsächlich von der TV6-Führung gemacht worden. Aber wir ziehen es vorläufig nicht in Betracht, wir wollen bei unserem eigenen Sender weiterarbeiten.

INTERVIEW: BARBARA KERNECK

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