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Auf dem Totenbett Europas

■ Harry Fisher liest aus „Comrades - Bericht eines US-Interbrigadisten im spanischen Bürgerkrieg“

Wer waren die rund 40.000 Freiwilligen internationaler Herkunft, die ab 1936 gegen die faschistischen Putschisten unter Franco und für die rechtmäßig gewählte republikanische Regierung kämpften? Harry Fisher ist einer von rund 3.000 US-Amerikanern, die als Interbrigadisten im Spanischen Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 versuchten, den von Hitler und Mussolini mit Kriegsmaterial begünstigten Vormarsch des Faschismus zu stoppen. Selbst der Widerstand der US-Regierung unter Franklin D. Roosevelt, die bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in „neutraler“ Nichteinmischungs-Politik verharrte, konnte die als „premature antifascists“ gebrandmarkten Spanienkämpfer nicht von ihrem Zustrom nach Europa abhalten.

Was den jüngst erschienenen Erfahrungsbericht des „Lincoln-Brigadisten“ Harry Fisher, der jetzt nach Hamburg kommt, lesenswert macht, ist die Auffächerung seiner biographischen Beweggründe, die er als Gewerkschaftsaktivist, Kommunist und Rassentrennungsgegner verfolgte. Die Schilderung der kriegerischen Auseinandersetzungen, deren Zeuge Harry Fisher 19 Monate lang auf einer Odyssee von den Pyrenäen bis zur Ebro-Schlacht wird, führt die Unberechenbarkeit jedes Kampfes und die psycho-soziale Befindlichkeit der Soldaten eindringlich vor Augen. Der Antifaschist Harry Fisher, der die meiste Zeit als Melder eines Nachrichtentrupps der „Lincoln-Brigade“ fungierte, bilanziert in einem Brief an seine Angehörigen vom November 1937: „Es ist unmöglich, durch diesen Krieg zu gehen, ohne hinterher jeglichen Krieg voll und ganz zu hassen.“ In lakonischem Stil zeigt er auf, wie der Krieg die hier erstmals nebeneinander kämpfenden farbigen und weißen Amerikaner psychisch destabilisiert, wie die Kämpfer in ihren Traumata gefangen sind. Harry Fisher verfolgt mit diesem Zeitdokument das Ziel, „unserer Jugend gleichermaßen Hass auf den Krieg zu vermitteln wie auch das Bestreben, friedliche Lösungen für Missstände zu finden“. Frank Schönian

Harry Fisher: Comrades. Bonn 2001, 243 S. 36 Mark

Lesung heute, 20 Uhr, Kommunaler Saal, Im Grünen Grunde 1

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