: Handel spart bei der Sicherheit
■ EC-Karte als unsicheres Zahlungsmittel: Obwohl gesperrt, konnte trotzdem weiter mit ihr eingekauft werden
700 Millionen Einkäufe werden in jedem Jahr in Deutschland per EC-Karte bezahlt, davon 600 Millionen auf dem Weg des elektronischen Lastschriftverfahrens ELV mit Karte und Unterschrift. „Das ELV ist ein praktisches und sicheres Zahlungsmittel“, erklärten noch im Herbst übereinstimmend die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände und der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels.
Die Beliebtheit schwindet aber schnell, wenn man die Karte verliert oder sie gestohlen wird – wie es Markus S. aus Hamburg jetzt passierte. Die gestohlene Karte, die er bei seiner Bank sofort sperren ließ, wurde in den folgenden Tagen knapp 20mal zu Einkäufen bei diversen Einzelhändlern benutzt: Für über 8500 Mark wurde bei Wal-Mart, Karstadt, Media Markt, Arko und Plus mit der gesperrten Karte eingekauft, bei den meisten Händlern sogar mehrmals am Tag. Mit jedem Kauf wurde das Konto des rechtmäßigen Besitzers belastet.
Dabei ist Markus S. kein Einzelfall. Die polizeiliche Kriminalstatis-tik für 1999 zählt 36.000 Betrugsfälle mit Geldkarten. Und darin sind die Betrügereien, die mit Kreditkarten begangen wurden, noch nicht erhalten. Die Aufklärungsquote ist mit 42 Prozent niedrig.
Weil beim EC-Cash, bei dem die Gültigkeit der Karte sowie die Solvenz des Kunden überprüft werden, 0,3 Prozent des Umsatzes als Gebühr an die Banken abgeführt werden müssen, verzichtet der Handel auf dieses weitgehend sichere Abbuchungsverfahren. Auch auf die Alternative der Banken, bei der die Unterschrift ausreicht, jedoch die EC-Karte in der Sperrdatei überprüft wird, verweigert der Handel aus Kostengründen. Er begnügt sich mit dem einfachen Ablesen des Magnetstreifens auf der Rückseite der Karte. Diese Informationen dienen aber nur dazu, die Lastschrift richtig zu adressieren. Die obligatorische Unterschrift wird meistens kaum nachgeprüft.
Horst Rüter vom EuroHandels-institut rechnet so: „Durch Betrugsfälle erleidet der deutsche Einzelhandel jährlich einen Verlust von 0,04 Prozent des Umsatzes. Damit liegen wir aber immer noch unter den Gebühren, die wir beim EC-Cash-System zu entrichten hätten.“ Sicherheit als Kostenfrage. „Der Handel achtet auf seine Kosten und wählt weniger sichere Abbu-chungssysteme“, kritisiert auch der Sprecher der Hamburger Sparkasse, Ulrich Sommerfeld.
Markus S. bleibt zwar nicht auf den Rechnungen sitzen. Seine Bank schickt die Lastschriften an die Einzelhändler zurück. Seit dem Diebstahl seiner Karte muss er allerdings täglich mit neuen Überraschungen beim eigenen Kontostand rechnen. Frank Sommer
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