: Nach Gysi ruht still der See e.V.
Die PDS präsentiert ihre Wahlstrategie für 2002: Drittstärkste Partei will sie werden, enttäuschte Rot-Grün-Wähler gewinnen, aber nicht gegen die SPD kämpfen. In der Partei wächst unterdessen die Kritik an der blassen PDS-Chefin Gabi Zimmer
von JENS KÖNIG
Von Jürgen Möllemann ist in der Parteizentrale der PDS an diesem Tag nichts zu sehen. Von Renate Künast auch nicht. Die Genossen stellen in ihrem Berliner Karl-Liebknecht-Haus kein durchgeknalltes 18-Prozent-Projekt vor. Sie haben auch keine populäre Ministerin mit Seuchen-Appeal, die sie den Kameras präsentieren können. Aber das Gleiche wie die Liberalen und die Grünen wollen die Sozialisten schon: Bei der Bundestagswahl 2002 die drittstärkste Partei werden und am Wahlabend dann abwarten, wen sich die große, starke SPD zum Mitregieren aussucht.
Wenn man das für realistisch hält, dann könnte man sagen, die Genossen von der PDS haben sich ein ehrgeiziges Ziel gesteckt. Wenn man das jedoch als die übliche politische Kraftmeierei abtut, dann könnte man in der Wahlstrategie der PDS auch etwas anderes sehen: ein durchdachtes, solides, aber alles in allem auch braves Projekt, das der Partei den Wiedereinzug in den Bundestag sichern soll. „Der dritte Platz im Parteiensystem ist nicht unser zentrales Ziel“, stellt Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch denn auch klar. „Wir werden lieber mit sieben Prozent vierte Kraft als mit fünf Prozent dritte Kraft.“
Diesem Anspruch angemessen ist auch die recht schmucklose Präsentation der Wahlstrategie in einem kahlen Raum der Parteizentrale. Dietmar Bartsch referiert etwas leidenschaftslos die Wahlziele der PDS, die unter seiner Federführung erarbeitet worden sind: Bei den nächsten Bundestagswahlen will die Partei im Osten 25 Prozent und im Westen zwei Prozent gewinnen – bundesweit wären das insgesamt sechs Prozent. Um ihre Ziele zu erreichen, setzt die PDS auf enttäuschte Rot-Grün- sowie auf bisherige Nichtwähler. „Die PDS bleibt eine Adresse von Protest“, heißt es in dem Papier.
Damit ist auch schon die entscheidende Frage beantwortet: Die PDS geht nicht mit dem Ziel in die Bundestagswahl, 2002 mitregieren zu wollen. Sie macht auch keinerlei Koalitionsaussage. „Diese Frage stellt sich für eine Fünf-Prozent-Partei nicht“, gibt Bartsch zu. Er macht aber den Anspruch der PDS deutlich. Sie will auf Bundesebene größeren Einfluss nehmen, vor allem über den Bundesrat. In allen ostdeutschen Bundesländern und in Berlin ist sie prinzipiell auf eine Regierungsbeteiligung eingestellt.
In drei zentralen Feldern möchte die PDS Veränderungen durchsetzen: in der Sozialpolitik, in der Außenpolitik und bei der Entwicklung Ostdeutschlands. Hier sieht sie zugleich ihre Kernkompetenzen. Die Genossen sind aber realistisch genug, zu wissen, dass es für die von ihr angestrebten Veränderungen 2002 keinen Koalitionspartner gibt. „Eine Regierungsbeteiligung der PDS im Bund ist mehr oder weniger aussichtslos“, sagt Bartsch.
Trotzdem sieht die PDS in der SPD eine Partei, mit der sie kooperieren muss, wenn sie irgendetwas durchsetzen will. Die Sozialdemokraten seien „nicht der unversöhnliche Gegner“, heißt es in dem Strategiepapier. Nicht ein anderes Lager, sondern Verschiebungen im Mitte-links-Spektrum seien erstrebenswert.
Die Wahlstrategie macht den Genossen keine Sorgen. Bei der Beratung des Papiers im Bundesvorstand gab es am Montag so gut wie keine Kritik. Nur Sahra Wagenknecht von der „Kommunistischen Plattform“ fand, dass mit Schröder und seiner SPD zu freundlich umgegangen werde. Das war aber auch schon alles. Anfang Mai wird das Strategiepapier vom Parteivorstand verabschiedet.
Danach sieht die Führungsspitze der PDS vielleicht, dass sie größere Probleme hat als ihre Wahlstrategie. Die Partei präsentiert sich schon seit einigen Monaten als ein etwas müder, ideenloser Verein mit dem Titel „Nach Gregor Gysi ruht still der See e.V“. Verantwortlich dafür ist zuallererst die neue, blasse Parteivorsitzende Gabi Zimmer. Von öffentlichem Auftritt zu öffentlichem Auftritt wächst die innerparteiliche Kritik an ihr. Verkrampft sei sie, heißt es, sie könne die Politik der PDS nicht verkaufen, sie führe die Partei nicht. Außerdem wüsste kein Mensch außerhalb der PDS, wofür sie eigentlich stehe. Ein Auftritt von Zimmer vor drei Wochen in der Talkshow „Sabine Christiansen“ wurde von weiten Teilen der Partei als Katastrophe empfunden. Ihre Öffentlichkeitsarbeiter raufen sich mehrmals in der Woche die Haare. Noch wagt niemand aus der Partei, Gabi Zimmer öffentlich zu kritisieren. Aber die Ersten fragen sich schon, wie man mit einer solchen Parteivorsitzenden Bundestagswahlen bestehen soll. Ein führender Genosse bringt die Sorgen auf den Punkt: „Vielleicht kann die den Job gar nicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen