Nachhaltigkeit im politischen Protest

■ Richter: Aktive Exiltogoer kommen wohl „auf die Liste“, aber das heißt nicht zwangsläufig Verfolgung nach der Rückkehr

In der deutschen Vereinslandschaft zählt der Internationale Menschenrechtsverein in Bremen zu den Ausnahmen. Seine rund 40 aktiven Mitglieder nämlich kommen aus allen Teilen der Welt, aus Nigeria, Togo, Sri Lanka und Nepal. Und sie arbeiten an allen Fronten: Gegen Rassismus in Deutschland, für die Rechte von Flüchtlingen und für Menschenrechte in den Heimatländern. Einer von ihnen ist der Togoer Leonard A., eins von sieben Vorstandsmitgliedern des Vereins. Mit seinen politischen Aktivitäten in Deutschland begründete er gestern seine Klage auf Asyl vor dem Bremer Verwaltungsgericht.

Zwar steht eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach der Verhandlung gestern noch aus, doch darf sich Leonard A. nach den Äußerungen des Einzelrichters wohl wenig Hoffnung auf ein Bleiberecht machen. Bereits sein erster Asylantrag war als unglaubwürdig abgelehnt worden; der Taxifahrer aus Lomé hatte angegeben, nach kritischen Äußerungen über das Fahrverhalten des Sohnes von Diktator Eyadema von Sicherheitskräften bedroht worden zu sein.

Anlass für das aktuelle Asylfolgeverfahren war der Expo-Besuch des westafrikanischen Diktators Eyadema im vergangenen Jahr in Hannover. Zu Protesten gegen die Willkürherrschaft von Gnassingbe Eyadema, der nur durch international angeprangerten Wahlbetrug an der Macht blieb, waren knapp 90 Exiltogoer vor die Expo-Tore gekommen; der togoische Staats-Chef konnte deshalb nicht den Landes-Pavillion besuchen. Das sorgte für Schlagzeilen in Togo.

Das Regime, dessen ganz schwerwiegende Menschenrechtsverstöße zuletzt 1998 durch inzwischen nachgewiesene Massenerschießungen in die internationale Kritik gekommen war, gilt als äußerst empfindlich in Bezug auf Kritik aus dem Ausland – besonders, nachdem die EU Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit eingefroren hat. Auch dafür macht das Regime immer wieder Aktivitäten von Flüchtlingen in Europa verantwortlich, die sich deshalb umso mehr vor einer Rückehr nach Togo fürchten. Auch Leonard A., der im Anschluss an die Hannover-Proteste einen Bericht verfasste, der schon länger im Internet steht. Unter vollem Namen – und bis heute als erster Artikel, der erscheint, wenn man bei Yahoo den Suchbegriff „Togo“ eingibt, so sein Anwalt überrascht.

Vor Gericht ging es gestern vor allem darum, wie wie politisch herausragend aktiv ein Flüchtling in Deutschland gewesen sein muss, damit Gefahr für Leib und Leben anzunehmen wäre, wenn er als abgelehnter Asylbewerber zurück nach Togo müsste. Dabei war für den Richter keine Frage, „dass, wer hier politisch aktiv ist, dort auf der Liste steht“. Fraglich sei allerdings, welche Folgen das habe. Noch habe die in Togo zwar verfolgte, aber zugelassene Opposition keinen Fall belegen können, in dem ein abgeschobener Flüchtling wirklich zu Schaden kam. „Das wäre gerade bei Parteimitgliedern doch einfach zu organisieren“, so der Richter. Er drückte zugleich Zweifel daran aus, dass ernstzunehmende Verfolgung dadurch ausgelöst werde, dass jemand – wie der Kläger – im Ausland eine Demonstration mitorganisiert hat. Zumal der Internationale Menschenrechtsverein zwar verantwortlich für die Proteste zeichnete, der Kläger dabei aber nicht mit einer herausragenden Rolle zu erkennen gewesen sei. Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Thüringen aber sei Verfolgung nur dann zu erwarten, wenn die Kritik am Regime „spektakulär, herausragend und nachhaltig“ gewirkt habe, so der Richter. Er gab zu erkennen, dass der eine Nachhaltigkeit des Protestes – und damit schlimme Folgen für Leonardo A. – nicht sehe. burro