: Käse ist verboten
Seit Holland MKS-Gebiet ist, beschlagnahmen deutsche Zöllner Butterbrote. Einkaufstouristen bleiben weg
VENLO taz ■ Das „Deutsche Eck“ in Venlo ist wie ausgestorben. Wo sich im Zentrum der holländischen Grenzstadt sonst tausende Käufer durch die Gassen drängen, herrscht seit dem von der EU-Kommission verhängten Exportverbot für Fleisch- und Milchprodukte Friedhofsstimmung. Um 80 Prozent ist der Umsatz jener Geschäfte zurückgegangen, die fast ausschließlich von den Einkaufstouristen aus Duisburg, Krefeld oder Neuss leben. Die Kunden bleiben weg, seit sich an den Stellen, wo vor gut zehn Jahren die Grenzen fielen, wieder lange Staus bilden. Und weil sie unsicher sind, welche Waren sie nach Deutschland mitnehmen dürfen. Bei den „Zwei Brüdern von Venlo“, Butterfahrern von Rhein und Ruhr seit Jahrzehnten ein Begriff, erklärt das Personal den wenigen deutschen Kunden immer wieder, dass Käse ein Milchprodukt ist, das sie bei der Kontrolle abgeben müssten. Wer dennoch kauft, bekommt ein rotes X auf die Verpackung. Das bedeutet: Der Kunde war gewarnt, die Ware ist von Rückgabe ausgeschlossen.
Seit Ausbruch der Maul- und Klauenseuche im Osten der Niederlande am 21. März wird an beiden Autobahnübergängen in Venlo täglich 24 Stunden kontrolliert. Dass womöglich einzelne Lkw- und Butterfahrer verbotene Ware durch die „Hintertür“ nach Deutschland bringen, kann der Leiter der holländischen Zolldienststelle in Venlo, Jack Kort, nicht ausschließen. Es gebe zwar ein mobiles Netzwerk mit den Deutschen, sagte Kort. „Aber um die Grenze hermetisch abzuriegeln, müsste man die Armee einsetzen.“ Die ist inzwischen im Einsatz. Insgesamt 400 Militärs hat das Verteidigungsministerium in Den Haag den Zollbehörden ausgeliehen: für den Dienst an den Grenzen sowie im Hafen von Rotterdam und auf dem Flughafen Schiphol.
Die „Hintertüren“ in der Region Venlo indes sind kaum zu kontrollieren. Wer stört sich schon an batteriebetriebenen Signalleuchten, die im Wald vor der Grenzüberquerung warnen. Und Radfahrer passieren die Sandbarrieren, die die Deutschen auf Waldwege geschüttet haben, ohnehin mühelos.
„Fehlt nur noch der Stacheldraht, so wie im Krieg“, mokiert sich Hanny Vaeth. Die 71-Jährige aus dem holländischen Arcen musste kurz zuvor auf dem Weg nach Deutschland ein gammeliges Käsebrötchen abgeben. Jetzt lenkt sie ihr Fahrrad, vollbepackt mit Einkäufen aus dem deutschen Walbeck, nach Hause. Sie hält wenig von den Maßnahmen. „MKS macht doch vor Grenzen nicht Halt“, weiß Hanny Vaeth. „Es ist idiotisch, dass die Deutschen mir alles wegnehmen, während ich Lebensmittel, die ich drüben, also ganz nah an den MKS-Höfen bei uns, einkaufe, problemlos mit rübernehmen kann.“
HENK RAIJER
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen