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Ohne Schlips und Kragen

„Schifffahrt ja, Kreuzfahrt nein“: Eine Touristik-Agentur an der Ostsee vermittelt Reisen auf Frachtschiffen  ■ Von Thomas Pauly

Josef Buschhausen und Theresia Sengheiser aus Duisburg wollten sich einen Traum erfüllen. „Wir sind noch fit und möchten eine Weltreise machen“, sagt der 75-jährige Buschhausen. Zuerst dachten sie an eine klassische Kreuzfahrt. Ein Inserat machte sie jedoch auf eine Möglichkeit „ohne viel Schnickschnack“ aufmerksam, so Buschhausen: Eine Reise mit dem Stückgutfrachter „Bibi“ der Hamburger Reederei „Rickmers“.

Ermöglicht wird so eine Fahrt von Kapitän Peter Zylmann. In Maasholm an der Ostsee, zwischen Flensburg und Kiel, betreibt er seit 1986 die Agentur „Frachtschiff – Touristik“ und vermittelt Reisen auf Containerschiffen und Stückgutfrachtern. Die „Bibi“ hat er im Katalog. Sie fährt unter deutscher und zypriotischer Flagge und wurde vor 20 Jahren für eine spanische Reederei gebaut. Die Offiziere sind Kroaten, die 25-köpfige Crew philippinisch, an Bord sprechen sie Englisch. Zwischen und unter den Ladebäumen steht Stückgut: Kis-ten, Maschinen, manchmal auch Eisenbahnwaggons. Es gibt sieben Decks, die Brücke, eine Offiziersmesse, den Maschinenraum.

Mittendrin: Josef Buschhausen und Theresia Sengheiser sowie der Schweizer Geschäftsmann Krüger. Sie machen Urlaub. Fünf Monate fahren sie mit der „Bibi“ um die Welt: Von Hamburg nach Bilbao durchs Mittelmeer und den Suezkanal, dann nach Singapur, Hongkong, Mexiko, durch den Panama-Kanal und wieder zurück nach Antwerpen und Hamburg. 136 Tage, davon ca. 25 an Land, für 20.000 Mark. Auf einem Kreuzfahrtschiff würde das 60.000 Mark kosten.

Immerhin: „Das Deck schrubben müssen sie nicht“, versichert der kroatische Kapitän, nur ihre Kabinen selber sauber halten. Die sind etwas luxuriöser als die der Crew. Die Buschhausens logieren in der Eigner-Suite, Herr Krüger in der Einzelkabine Radio-Officer. „Das haben wir komplett aufgefixt“, sagt Zylmann. Es gibt Fernseher, Videorekorder, Kühlschrank, Musikanlage, Spiegelschrank und Gemälde mit Leuchttürmen und dem Hamburger Hafen. In der Offiziersmesse finden sich Bücher und Spiele, auf der Brücke stehen Liegestühle fürs Sonnenbad. „Schließlich wollen wir glückliche Passagiere.“

Einen CD-Player könnte man sich in Shanghai aber auch für 17 Dollar kaufen, so wie es der Kapitän der „Bibi“ gemacht hat. Bis zu 125 Kilogramm darf jeder Passagier zu den 20.000 Tonnen beitragen, die das Schiff auf seiner Fahrt einsammelt. Weil Stückgutfrachter länger im Hafen liegen als Containerschiffe, sind sie besonders gut für so eine Reise geeignet: Zwei bis drei Tage Landgang haben die Passagiere in den Häfen; die Impfung gegen Cholera und Gelbfieber ist deshalb vorgeschrieben.

In den 80ern steuerte Peter Zylmann noch selber Containerschiffe nach Singapur. Dann fand er es „sehr interessant, mal was Anderes auf die Beine zu stellen“. Früher, erzählt er, waren Passagiere auf Frachtschiffen normal. „Da gab es auch Stewards an Bord.“ Mit Beginn der Containerschifffahrt nach dem 2. Weltkrieg und der Ausweitung der Luftfahrt blieben die Kabinen jedoch leer. Zylmanns Konzept, ungenutzte Crew-Kabinen für Passagiere zur Verfügung zu stellen, stimmte die Reedereien zunächst bedenklich. Schließlich müssten dann wieder Stewards eingestellt und die Mahlzeiten verbessert werden. „Macht euch frei von dem Gedanken, dass ihr mehr Service bieten müsst“, konterte Zylmann. Was seine Passagiere wollten sei „Schifffahrt ja, Kreuzfahrt nein“. Also: „Schiffahrt ohne Schlips und Kragen.“ Stattdessen können sie dem Kapitän auf der Brücke bei der Arbeit zuschauen, im Maschinenraum Fragen stellen und mit der Crew essen. „Auf diese Weise werden auch Klischees abgebaut.“

Mittlerweile kooperiert Zylmann mit 30 Reedereien und hat Zugriff auf 300 Schiffe. Auf den 100 Schiffen in seinem Katalog schickt er jedes Jahr 1500 Passagiere auf See. Die Reisen gehen überall hin: nach Skandinavien, Nordafrika, Argentinien, Südostasien, die USA oder eben einmal um die Welt.

Pro Frachter fahren je nach Größe zwei bis sechs Personen mit. Einige wollen einfach nur ihre Ruhe haben, Schriftsteller beispielsweise. „Solche haben wir auch“, so Zylmann. Andere nutzen das Schiff lediglich als Verkehrsmittel – Lateinamerikaner zum Beispiel, die nach Deutschland kommen wollen. Viele sind Stammkunden. „Wir sind eine Nische, das ist kein Massentourismus“, sagt Zylmann.

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