: Mörder ohne Reue
Der einstige Musterknabe Timothy McVeigh wurde zum amerikanischen Albtraum
von ULRIKE KLODE
„Die Pflanze der Freiheit muss von Zeit zu Zeit mit dem Blut von Patrioten und Tyrannen begossen werden.“ Ausgerechnet dieser Ausspruch von Staatsheld und Expräsident Thomas Jefferson ist das Lieblingszitat von Staatsfeind und Todeskandidat Timothy McVeigh.
Eigentlich passt seine verabscheuenswürdige Tat dazu: „Tyrannen“ waren für ihn die Angestellten der Bundesbehörden in einem Bürogebäude in Oklahoma City, das er im Namen der Freiheit am 19. April 1995 mit einer 5.000-Pfund-Bombe aus Ammoniumnitrat und Benzin hochgehen ließ. 168 Menschen starben in den Trümmern – es war das schlimmste Attentat in der Geschichte der Vereinigten Staaten.
1997 war der heute 32-Jährige zu Tode verurteilt worden; für den 16. Mai ist seine Hinrichtung festgesetzt. Im Laufe des Prozesses hat sich gezeigt, dass der Exsoldat offenbar eine furchtbare Wandlung hinter sich hat: vom All-American Nice Guy zum American Nightmare.
Aus dem Golfkrieg kehrte er mit Orden dekoriert zurück. In Militärunterlagen steht, dass er in den vier Jahren bei der Armee stets loyal und einer der Besten gewesen sei. Nachbarn der Familie erinnerten sich im Gerichtssaal an ihn als „den netten Jungen von nebenan“, der ein guter Babysitter war und immer brav die Schuhe auszog, wenn er das Haus betrat.
Anhänger der rechten Szene, Liebhaber von Verschwörungsromanen und Waffennarr – das ist das Bild, das die Staatsanwaltschaft von ihm zeichnete. Sprengstoffspuren auf seiner Kleidung und Quittungen für den Kauf von Bombenzutaten hatten die Ermittler zu ihm geführt. Genau zwei Jahre nach dem FBI-Einsatz gegen die Mitglieder einer militärisch hochgerüsteten rechten Sekte im texanischen Waco schlug McVeigh zu. „Sehr verärgert“ sei er über den Tod von mehr als 70 Sektenmitgliedern gewesen, sagte seine Schwester Jennifer.
Bis heute bereut McVeigh die Tat nicht. Ein Psychiater, der ihn im Auftrag der Verteidigung untersuchte, sagte, ihn habe gefröstelt, als McVeigh mit einem Glänzen in den Augen über Details des Anschlags geredet habe. In einem Buch über ihn bezeichnet der Attentäter die 19 getöteten Kinder als „Kollateralschäden“, mit denen er gerechnet habe.
McVeigh kann bis zwei Stunden vor seiner Hinrichtung um Begnadigung bitten. Doch damit rechnet niemand. Er hat seinen Einspruch zurückgezogen und wartet auf seinen Tod, den er als „staatliche Hilfe zum Selbstmord“ bezeichnet.
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