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Punkt, Punkt, Schwerpunkt

Wie die Tagesthemen-Seiten entstehen: Über das beste taz-Ressort – und leider auch das schlimmste

von STEFAN KUZMANY

Seit März 2000 sieht die taz anders aus. Nicht nur Schrift und Layout haben sich verändert, auch das inhaltliche Konzept. Jeden Tag finden Sie seither in der taz bis zu fünf monothematische Seiten mit den für die taz wichtigsten Themen des Tages. Mit deren Entwicklung und Betreuung beschäftigt sich der Schwerpunktpool unter der erfahrenen Leitung von Carlo Ingelfinger.

Sein Name und auch der seiner KollegInnen tauchen kaum einmal in der Zeitung auf, denn der Pool schreibt nicht – die Aufgabe des Pools ist es, die Texte der jeweiligen AutorInnen möglichst ansprechend und verständlich den LeserInnen zu präsentieren. Keine Arbeit für eitle Zeitgenossen. Dafür offenbart die täglich wechselnde Beschäftigung mit Themen und KollegInnen aus dem ganzen Haus tiefe Einblicke in die Funktionsweise und Persönlichkeitsstruktur des Lebewesens taz.

Was tun, wenn dem Kollegen aus der Auslandsredaktion schon eine Seite für seine Reportage aus dem Kongo versprochen, eine Gebrauchsanweisung „Wie werde ich Kanzler?“ bestellt, ein Report zur Personalentwicklung bei der CDU geplant ist – und dann, auf der Morgenkonferenz, die Wirtschaftsredaktion noch die dringende Notwendigkeit eines Brennpunkts über eine drohende Bankenfusion konstatiert und die Kultur gerne – und weil es uns doch gut zu Gesicht stünde – „vorne“ eine Betrachtung der deutschen Theaterlandschaft platzieren würde?

Die politischen, schweren Themen haben es dabei immer leichter, sich gegen leichtere Kost durchzusetzen – das merkt man der Zeitung manchmal an. Die Entscheidung für ein Thema ist immer auch eine gegen ein anderes Thema. Und so viel ist sicher: Einer muss immer zurückstecken. Einer ist immer beleidigt. Einer wird immer die – unumgängliche – Entscheidung des Schwerpunktressorts als falsch, inkompetent und ignorant brandmarken.

Dabei wissen eigentlich alle, dass es nur so gehen kann: Die einzelnen Ressorts konkurrieren miteinander um die Schwerpunktseiten. Sie sind Anwälte ihrer Themen und Autoren. Der Schwerpunktpool hingegen ist nur der Zeitung verpflichtet – interessant soll sie sein, abwechslungsreich und gut aussehen: Die „Blattmischung muss stimmen“, heißt das im Zeitungsjargon. So die Theorie. Denn natürlich haben SchwerpunktredakteurInnen auch eigene Interessen, sind Autoren verpflichtet, der eigenen und der Befindlichkeit anderer ausgeliefert.

Ist die Auswahl dann – wenn auch schweren Herzens – getroffen, spricht der zuständige Schwerpunktredakteur mit den Autoren die Feinheiten des Textes ab: Welche „Stoßrichtung“ soll er haben? Wie lange soll er sein? Wann muss die Seite fertig werden? Da fängt es schon an.

Naturgemäß können die SchwerpunktredakteurInnen sich nicht in Südafrika genauso gut auskennen wie in Gorleben – das sorgt manchmal für Unmut bei den KorrespondentInnen. Dabei sind die SchwerpunktredakteurInnen als „erste Leser“ zur Textkritik besonders qualifiziert. Ihre Frage lautet immer: Ist dieser Text einem Leser verständlich, der sich nicht schon jahrelang mit dem Thema beschäftigt hat?

Irgendwann – und meist zu spät – treffen die Texte dann per E-Mail im Redaktionssystem ein. Meist sind sie zu lang. Meist sind die Autoren davon überzeugt, kein Wort sei zu viel und jede gekürzte Zeile zerstöre ihr Werk. Behutsam machen sich die SchwerpunktredakteurInnen an die schwierige Aufgabe des Kürzens. Vielleicht fällt der Layoutabteilung dann ein, das Layout noch mal zu ändern – schon ist alle Kürzung vergeblich geworden. Und man darf sich sicher sein, dass die Korrekturabteilung kurz vor Schluss noch eine kluge, aber leider sehr grundsätzliche Anmerkung hat. Doch – und das ist das Wunder der taz – irgendwann ist die Seite fertig.

Abends sitzen die SchwerpunktredakteurInnen vielleicht in einer Kneipe. Irgendwann kommt vielleicht ein taz-Verkäufer vorbei. Die SchwerpunktredakteurInnen greifen zu, blättern durch. Und denken vielleicht: Ist gelungen. Schöne Seite.

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