piwik no script img

Bremer Initiative gegen Grapscher

■ Sexuelle Belästigung soll als Delikt unter Strafe gestellt werden / Bei ihrer nächsten Konferenz sprechen die FrauenministerInnen von Bund und Ländern über einen solchen Vorstoß

Die meisten Frauen haben es schon erlebt: Die besitzergreifende, aber unbekannte Männerhand an ihrem Busen, den anzüglichen Griff an den Hintern oder sogar den ekelerregenden Kuss-Angriff ins Gesicht. Wo immer das meist als Überrumpelung geschieht, gibt es für die Betroffene viele Fragen. Anzeigen ist eine. Zurückschlagen eine andere. Doch für den Übeltäter brachte die Anzeige solcher Übergriffe bislang so gut wie keine Strafe. Sie wurden kaum geahndet, weil sie – so sehen es JuristInnen – „unterhalb der Erheblichkeitsschwelle“ liegen. Nicht wirklich beleidigend, nicht wirklich nötigend. Das will die Bremer Frauensenatorin nun ändern. Bei der nächsten Konferenz der Bundesfrauenministerinnen wird Bremen den Anstoß geben. Das Ziel: Es soll ein Paragraf ins Strafgesetzbuch, der sexuelle Belästigung unter Strafe stellt.

Mit ihrem Bemühen will die Bremer Frauensenatorin Schluss mit einer Rechtslage machen, die zuletzt noch 1997 vom Bundesjus-tizministerium als gewollt erklärt wurde. Diese „Strafbarkeitslü-cken“ im Sexualstrafrecht seien hinzunehmen, hieß es damals. Hauptargument: Das Sexualleben solle allgemein entkriminalisiert werden, nur schwerwiegende Taten unter Strafe stehen.

Das wollen die Frauen jetzt ändern. Sie meinen, dass eine solche Einschätzung nicht im gerechten Verhältnis dazu steht, wie andere Vergehen behandelt werden. So kann die einfache Beleidigung, – das unappetitliche Schimpfwort der Nachbarin gegen den Nachbarn –, schon Bestrafung zur Folge haben. Wenn der Nachbar aber der Nachbarin fest an den Busen packt, sähen die juristischen Chancen auf Ahndung vergleichsweise schlechter aus.

Negative Folgen für den Grapscher hatten Übergriffe bislang vor allem im Arbeitsalltag, wenn die Belästigte erfolgreich vors Arbeitsgericht zog. Denn nach dem Arbeitsrecht kann derbe Anmache ein Kündigungsgrund sein; zivilrechtlich kann die Frau auf Unterlassung klagen. Im allgemeinen Alltag aber müsste ein – zumeist fremder – Täter sein Opfer nicht nur Begrapschen, sonder zusätzlich auch schlagen oder bedrohen, damit dieses – verkehrte Welt – den Täter mit Aussicht auf Bestrafung anzeigen kann. Das nämlich wäre Nötigung, weil die Zudringlichkeit durch Gewalt oder Drohung untermauert wurde.

Den Frauen aber geht es jetzt darum, den spezifischen Charakter der Straftat auch im Gesetz sichtbar zu machen. Dass Nötigung – oder bisweilen Beleidigung – dafür herhalten mussten, einen Mann zur Rechenschaft zu ziehen, reicht ihnen grundsätzlich nicht. „Es geht um das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frau“, sagt Brigitte Melinkat, die Juristin in der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau.

Hamburger Juristen haben unterdessen – mit Blick auf die Schweizer Rechtslage – einen konkreten Vorschlag in die rechtspolitische Debatte eingebracht. So steht im Schweizer Strafgesetzbuch, „wer jemanden tätlich oder in grober Weise durch Worte sexuell belästigt, wird ... bestraft.“ Sie schlagen vor, den deutschen Paragrafen, der bislang die Erregung öffentlichen Ärgernisses definiert, zu erweitern. Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe drohen danach einer Person, die „öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch oder wissentlich ein Ärgernis erregt“ ( Paragraf 183a StGB).

Dabei differenzieren sie: Beim Belästigen per Grapschen muss das Opfer die Tat anzeigen, wenn es will, dass etwas geschieht. Wird aber ein Kind sexuell belästigt, dann müsste dies als Straftat von Amts wegen verfolgt werden.

burro

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen