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Vier Punkte bis zum UI-Cup

Vor dem heutigen Champions-League-Viertelfinale gegen Manchester United fürchten die so glorreichen Münchner Bayern, sie könnten am Saisonende ganz ohne Trophäe dastehen

aus München THOMAS BECKER

„Was soll schon scheppern?“ Nonchalant wie früher auf dem Rasen beantwortet der Kaiser die Fragen der Duz-Maschine. Waldemar Hartmann, neben seinem Hauptberuf als Promi-Duzer auch noch Sportreporter beim Bayerischen Rundfunk, hatte sich nach dem 1:3 der Bayern gegen Schalke Sorgen gemacht und war extra bis ins beckenbäuerliche Kitzbühel gereist, um sich dort vom Meister selbst Mut zusprechen zu lassen: „Wird’s denn am Donnerstag nicht ganz schön scheppern, wenn’s am Mittwoch nicht klappt?“, fragte Waldi sich schon beinahe duckend ob der womöglich fürchterlichen Antwort. Aber nein, ihro Gnaden waren milde gestimmt: Mei, was soll schon viel passieren?, hat Franz Beckenbauer gedacht – und gesagt: „Das kann schon sein, dass man jetzt durchgereicht wird.“

Die Bayern durchgereicht? Darf man das überhaupt? Man darf. Und die Chancen stehen auch gar nicht schlecht: Neun Mal hat der deutsche Meister in der Bundesliga schon verloren, in den letzten acht Spielen nur zwei Mal gewonnen. Ergibt: zwei Punkte Rückstand auf den Tabellenführer, aber auch nur vier Punkte bis zum ersten UI-Cup-Platz, für den man natürlich erst gar nicht gemeldet hat. „Wir müssen auch auf Platz vier und fünf schauen“, gibt selbst Optimist Uli Hoeneß zu, und Trainer und Chef-Bedenkenträger Ottmar Hitzfeld hat erst gar keine Antwort auf seine eigene Frage: „Was ist, wenn wir nur Dritter oder Vierter werden? Die Situation darf nicht unterschätzt werden.“

Das hat auch sein Käpten erkannt. Oliver Kahn hat nach der Schalke-Niederlage im Team einen „Verschleiß im Kopf“ ausgemacht: Wer ständig auf so hohem Niveau spiele wie der FC Bayern, bekomme irgendwann ein mentales Problem, so Kahn. „Es macht mich wahnsinnig, was wir hier abliefern in der Bundesliga. Wir müssen da aufpassen jetzt.“ Auch die Mitspieler sind verunsichert. Torschütze Carsten Jancker: „Wenn man so darüber nachdenkt, dann ist das schon alles sehr verrückt.“ Kollege Giovane Elber: „Ich habe seit Saisonbeginn Angst, dass wir gar nichts gewinnen.“ Mit Sammy Kuffour braucht man erst gar nicht zu reden, um zu erfahren, wie es ihm geht: Schalkes dreifacher Torschütze Ebbe Sand hatte jedenfalls seinen Spaß mit ihm. „Es ist immer einfach zu sagen: Der muss raus, und der muss raus. Aber wer soll dann spielen?“, jammert Hitzfeld. Kuffour hat laut Hoeneß mal wieder „dubiose Angebote von Spielervermittlern aus aller Welt, fühlt sich plötzlich unterbezahlt und macht sich selbst völlig verrückt. Wir haben aber keine Lust, ständig mit ihm zu reden. Er hat einen Vertrag bis 2003, und wenn er nicht besser spielt, gibt es keinen Grund, auch nur eine Mark mehr zu zahlen“.

Als ob das nicht alles schon genug der schlechten Vorbereitung auf das heutige Champions-League-Viertelfinale, das „Spiel des Jahres“, gegen Manchester United wäre, kündigte ausgerechnet jetzt Manager Hoeneß für 2002 den Beginn einer neuen FCB-Ära an: mit jungen Spielern. „Wir haben zu viele 30-Jährige, die im kommenden Jahr altersmäßig das Tempo der Liga nicht mehr mitgehen können“, sagt auch Franz Beckenbauer, der Mann, in dessen Verein unlängst noch ein fast 40-Jähriger kickte. Den großen Schnitt will man machen, viel Geld ausgeben: für den Kader, aber auch für ein neues Stadion; die Umbildung zur Kapitalgesellschaft wird wohl nicht mehr lange dauern.

Manchester hat das alles schon hinter sich, ist vorzeitig wieder Landesmeister geworden, zum dritten Mal in Folge. Trotz des 1:0-Vorsprungs, dieser „Super-Ausgangsposition“ (Hoeneß) für Bayern, bleibt Unsicherheit über die Stärke der Briten. „Du musst trotzdem so spielen, als hättest du dort 0:2 verloren“, glaubt Oli Kahn. Weitere Pluspunkte für die Münchner: Beckham fehlt bei den Gästen, dafür sind bei Bayern Effenberg und Elber wieder dabei. Ob’s reicht für die Bayern oder ob’s doch wieder Lyon-mäßig scheppert am Donnerstag – auch Giovane Elber ist sich da nicht sicher: „Man versucht halt zu gewinnen. Aber das machen die anderen auch.“ Ist Fußball nicht wunderbar?

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