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Altbewährt und frauenfrei

Ole von Beust offiziell CDU-Bürgermeisterkandidat. Im Team: Kaum Frauen, kaum Junge und ein Polizist  ■ Von Michaela Soyer und Sven-Michael Veit

Er habe „die Nase voll vom roten Mittelmaß“, verkündete Ole von Beust, und wolle CDU und Hamburg „in eine bessere Zukunft führen“. Rot-Grün müsse weg und der Wechsel in der Hansestadt endlich her. Botschaften, welche auf dem CDU-Parteitag am Sonnabend im CCH beim Parteivolk gut ankamen. Mit etwa 93 Prozent Zustimmung wählten die 210 Delegierten den 46-jährigen Chef der Bürgerschaftsfraktion zum zweiten Mal nach 1993 zum Spitzenkandidaten für die Wahl im September.

Trotz aller Attacken auf den Senat schließt von Beust eine Große Koalition mit der SPD jedoch nicht aus: „Es wäre albern, jetzt ,nie' zu sagen“, erklärt er im Interview mit der taz (Seite 22). Aber auch eine Regierungsbildung mit der Rechtsaußenpartei von „Richter Gnadenlos“ Ronald Schill sei „eine Option, keine Frage“. Nicht zufällig wird denn auch die Innere Sicherheit „der zentrale politische Inhalt in unserem Wahlkampf sein“, wie CDU-Landeschef Dirk Fischer im CCH bekräftigte. Und für „das Top-Thema“ brauche die Partei „auch Top-Leute“. Zuvörderst Joachim Lenders, Polizei-Personalrat und Vorsitzender der Polizeigewerkschaft in der Hansestadt. Den 39-jährigen Quereinsteiger hatte von Beust als Wahlkampfberater verpflichtet; auf der offiziellen Vorschlagsliste des CDU-Wahlausschusses, die unter Federführung von Beusts und Fischers aufgestellt worden war, wurde Lenders der sichere Listenplatz 12 zugedacht. Ein Selbstgänger: Seine heftige Kritik an Innenbehörde und Polizeiführung wurde Lenders mit fast 95 Prozent, dem besten aller Wahlergebnisse, gelohnt.

Ansonsten setzt die Union jedoch vor allem auf altbewährtes Personal , zu dem lediglich der Harburger Kreisvorsitzende Andreas Kühn und Rechtsprofessor Ulrich Karpen sich nicht länger zählen dürfen. Ersterer verlor auf Platz 21 gegen Carsten Lüdemann ebenfalls aus Harburg, der erfolgreich gegen seinen eigenen Chef revoltierte. Karpen, in der Fraktion und im eigenen Ortsverband Rahlstedt gar nicht mehr wohlgelitten und deshalb auch nicht mehr nominiert, kandidierte auf eigene Faust und wurde mit lediglich 56 Stimmen böse abgewatscht. Beide gaben auf und müssen sich aus dem Rathaus verabschieden. Kühn trat gestern resigniert auch als Kreisvorsitzender zurück.

In die Phalanx der jetzigen Bürgerschaftsabgeordneten (MdBü) auf den als sicher geltenden 40 vorderen Plätzen mischen sich lediglich neun Neue (s. Liste, kursiv); es dominieren die Über-40jährigen und – die Männer. Das in der Parteisatzung verankerte Frauenquorum von einem Drittel aller KandidatInnen wird mit lediglich sieben Frauen (halbfett) weit unterschritten.

Und die beiden Frauen, die Kampfkandidaturen gegen offizielle männliche Kandidaten wagten, wurden abgestraft.

Die Deutsch-Türkin Jerfi Hein hatte „nicht brav in der letzten Reihe“ auf Vorschlagsplatz 81 sitzen wollen. Sie trat auf Rang 6 gegen den seit 30 Jahren die Bürgerschaft zierenden Karl-Heinz Ehlers – und endete auf Platz 80. Böse erwischte es die Abgeordnete Bettina Machaczek, die überhaupt nicht zur Wiederwahl vorgesehen war. Vier Mal trat sie gegen Männer an, und vier Mal fiel sie durch.

Hein wollte zeigen, dass „es bei 40 Prozent weiblichen Mitgliedern in der Hamburger CDU Frauen gibt, die etwas leisten.“ Die Architektin fühlte sich von ihrem Kreisverband Wandsbek alleine gelassen. Der hatte wie die sechs anderen CDU-Kreise eingeräumt, dass „das sogenannte Frauenquorum nicht eingehalten wurde“. Nach ihrer Niederlage ist die 59-Jährige enttäuscht: „Es gibt nicht zu wenig Frauen in der CDU, sie werden nur nicht aufgestellt.“

Bettina Pawlowski, Wandsbeker Kreisvorständlerin, findet, dass „jede Frau in der CDU ihren Weg gehen kann.“ Sie selbst sei mit Platz 14 das beste Beispiel. Zwar seien viele Frauen in der Partei, aber wenige hätten den Mut, sich aufstellen zu lassen: „Frauen müssen selbstbewusster werden und sich mehr zutrauen“, so Pawlow-ski. Bettina Machaczek half Selbstbewusstsein allerdings nichts. „Unter den Männern gibt es alte Verbundenheiten, man kennt sich und unterstützt sich“, stellt die 38-Jährige fest. Sie sei immer gegen eine festgelegte Frauenquote gewesen. „Aber wenn das so abläuft, müssen wir neu darüber reden.“

Karen Koop, als Landesvorsitzende der Frauenunion auf Platz 7, wünscht sich eine bessere Vernetzung: „Die Frauenunion wird viel zu wenig genutzt, dabei können wir gezielt fördern.“ Schuld seien nicht nur die Frauen selbst, sondern auch die Kann-Formulierung des Frauenquorums. Denn „wo es Sat-zungsregeln gibt, die unterlaufen werden können, werden sie unterlaufen“, weiß die 56-Jährige. Außerdem bemühe sich die CDU um mehr Basisdemokratie: „Die Parteispitze wollte nicht zentralistisch in die Kreislisten eingreifen“.

Da blieb den Frauen nichts anderes übrig, als doch brav in der letzten Reihe zu sitzen.

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