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„So viel Geld...“

■ Warum eine Studentin glaubte, mit 70.000 Mark aus dem „Universum“ durchbrennen zu können /Eine rätselhafte Geschichte

Viel geschlafen hatte Stephanie B. ganz sicher nicht. Blass saß sie gestern auf der Anklagebank im Amtsgericht, zum ersten Mal, angeklagt wegen Diebstahls. Ende Oktober letzten Jahres hatte die 29-jährige Studentin den Safe des Universum Science Centers um 70.000 Mark erleichtert. Technische Finessen waren dazu nicht notwendig – seit vier Wochen arbeitete sie damals in dem muschelförmigen Bau nahe der Universität. Mit der Abrechnung der Tageseinnahmen betraut, hatte sie ungehinderten Zugang zum Safe.

An jenem Sonntagabend im Oktober kam es dann zu der „Kurzschlusshandlung“, wie sie selber vor Gericht aussagte. „Es war kein besonderer Tag“, erinnerte sie sich, „ich habe nur noch nie so viel Geld auf einmal gesehen.“ Und es folgte eine längere Ausführung zur Vorgeschichte, die vor allem eines zeigte: Geld hatte sie bisher wenig gehabt. Früh geheiratet, ein Kind, Trennung, kein Bafög, das Lehramtsstudium geschmissen, im Callcenter gejobbt und „rausgemobbt“, Stress mit dem Freund, beide finanziell abgebrannt – dann erst kam im September der gut bezahlte Job im Universum.

Doch zurück zur Tatnacht: Hektisch verlässt Stephanie B. gegen 22 Uhr das Universum. „Ich weiß es nicht, warum ich einfach durchgebrannt bin, ohne nachzudenken“, beteuerte sie mehrfach, „ich wollte nur noch weg von allem.“ Zu Hause habe sie dann ihren betrunkenen Freund angetroffen, um ihn zu einer Fahrt ins planlose Nirgendwo abzuholen. Der habe im Suff auch nicht groß nachgefragt – der Richter ist da schon neugieriger. Was ihren Lebensgefährten betrifft, dazu wollte sich die Angeklagte jedoch nicht äußern. Dieser sei nämlich selbst gerade in ein Verfahren verwickelt, da wolle man ihn nicht belasten, wie der Verteidiger von B. erklärte.

Das Paar fährt noch in derselben Nacht mit dem Auto aus Bremen ab. Über Köln führt sie eine zweimonatige Odyssee nach Kroatien, Österreich und Berlin. Warum sie gerade nach Kroatien gefahren seien, will der Richter wissen. Die Angeklagte zuckt mit den Schultern und blickt zu Boden. Gefallen habe ihr das Land, das sie im Urlaub kenn lernte, gibt sie zu Protokoll. Aber sie weiß es nicht wirklich.

Bis Stephanie B. von Realität und Reue eingeholt wird, hatte das Paar bis auf 12.900 Mark kräftig in Hotels, Spielcasinos und flotte Leihwagen investiert. „Ich wollte wenigstens 10.000 Mark zurückgeben“, erklärt die mittlerweile hoch verschuldete Studentin. Die restlichen 2.900 Mark stopfte sie vor der überstürzten Abreise noch schnell in die Mikrowelle. Warum? Das vermag wiederum niemand zu erklären.

Stephanie B. hingegen weiß nur eins: Die zwei Wochen Untersuchungshaft seien die schlimmsten ihres Lebens gewesen. Der Richter Friedrich Wulf ließ daraufhin Milde walten und verurteilte die Studentin zu sieben Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. jes

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