: DGB für beschränkte Öffnung
DGB orientiert sich bei der Einwanderung am kanadischen Modell: Wettbewerb ums Aufenthaltsrecht. Einwandererquoten sollen sich nach Beschäftigungslage richten
BERLIN taz ■ Der DGB hält bei der Einwanderung zwar einen grundlegenden Wandel für unabdingbar, rät aber dennoch zu einem vorsichtigen Kurs. So ließe sich das Konzept zusammenfassen, das der Gewerkschaftsbund gestern in Berlin vorstellte. Nach den Worten des DGB-Vorstandsmitglieds Heinz Putzhammer sollen Beschäftigung und Fortbildung inländischer Arbeitskräfte Vorrang vor der Rekrutierung ausländischer Bewerber haben.
In einem Thesenpapier, das der Bundesvorstand für die von Rita Süssmuth (CDU) geleitete Zuwanderungskommission der Bundesregierung verabschiedete, wird die Green-Card-Regelung indirekt kritisiert. Man gebe einer „auf Dauer angelegten Einwanderung von Arbeitnehmern den Vorrang vor kurzfristiger und befristeter Anwerbung“, heißt es dort. Im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung plädiert der DGB ebenso wie Kanzler Schröder für Übergangsfristen bei der Freizügigkeit.
Grundsätzlich will der Gewerkschaftsbund bei der Zuwanderung die Kriterien und Quoten durch eine Kommission regeln lassen. Ihr angehören sollen zu je einem Drittel Vertreter von Regierung, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Beraten werden können sie durch wissenschaftliche Institutionen und die Bundesanstalt für Arbeit. Offen lässt der DGB, ob – wie von den Grünen angedacht – das Parlament selbst in die Entscheidung über die Quotenregelung miteinbezogen wird. Diese Frage müsse bei der gesetzestechnischen Umsetzung der Einwanderung entschieden werden, so Putzhammer.
In seinen Grundzügen orientiert sich das DGB-Modell an Kanada und Neuseeland. Die Auswahl der Einwanderer soll hier wie dort nach einem Punktesystem erfolgen: Kriterien für die Bewerber seien unter anderem Alter, allgemeine und berufliche Qualifikation, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse. Ein Startpaket soll eine individuelle Beratung, sozialpädagogische Betreuung, Deutschkurse sowie Informationen über das deutsche Gesellschaftssystem enthalten. Mit diesem System folgt der DGB weitestgehend Vorstellungen aus dem Büro der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Marieluise Beck. Die Kosten für derartige Integrationsanreize – der DGB lehnt Sanktionen im Gegensatz zur Union ab – sollen sich Bund, Länder und Kommunen teilen, die Unternehmen die Zuwanderer für die Basiskurse freistellen und die Mittel für weiterführende fachsprachliche und berufliche Bildung übernehmen. Für einen planbaren Zeitraum – vorgeschlagen werden drei bis vier Jahre – sollte die Kommission jeweils Quoten festlegen. Pro Jahr rechnet der DGB mit 75.000 bis 100.000 Arbeitsmigranten.
Vor allem das Bildungssystem muss laut DGB in ein Integrationskonzept einbezogen werden. Nachholbedarf wird auch bei den bereits hier lebenden Migranten gesehen, deren Chancen bei Beruf und Ausbildung deutlich verbessert werden müssten. Nicht eingeschränkt werden dürfen nach Meinung des DGB die Regelungen zu Asyl, Bürgerkriegsflüchtlingen und Familiennachzug. SEVERIN WEILAND
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