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Mit MoZArT gegen Arbeitslosigkeit

In einem Modellversuch sollen Sozial- und Arbeitsamt stärker kooperieren. Minister Riester hofft, damit die Arbeitsvermittlung zu erleichtern. Zudem sollen Arbeitsämter nun Leistungen für Arbeitslose an Sozialämter delegieren können und umgekehrtvon A. HOLZSCHEITER und A. ROGALLA

Mozart war ein Sozialfall, er wurde auf dem Armenfriedhof begraben. Heute hätte er als mittelloser Künstler entweder Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld oder sogar beides bekommen. Jetzt muss der Komponist seinen Namen für einen Modellversuch hergeben, der vom Bundesarbeitsministerium zwei Jahre lang mit 30 Millionen Mark gefördert wird: das „Modellvorhaben zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und Trägern der Sozialhilfe“ (MoZArT).

28 Sozial- und Arbeitsämter in Deutschland sollen im Rahmen von MoZArT Arbeitslosen das nervenaufreibende Hin und Her zwischen den Behörden ersparen, indem sie ihre Arbeit koordinieren. „Wir sind sehr daran interessiert, dort zu verbessern, wo wir den Arbeitsvermittlungsprozess beschleunigen und effizienter machen können“, sagte Bundesarbeitsminister Riester gestern bei der Vorstellung des Projekts in Berlin. Dies soll unter anderem dadurch gewährleistet werden, dass Verwaltungsverfahren vereinfacht werden und eine „größere Bürgernähe“ hergestellt wird. Unter anderem geht es bei MoZArT darum, die „Experimentierklauseln“ in die Praxis umzusetzen, die im November ins Sozialgesetzbuch III aufgenommen wurden. Will heißen: die Arbeitsämter können die Leistungen für Arbeitslose an das Sozialamt delegieren und umgekehrt. Dabei sollen aber keinesfalls „den Arbeitslosen durch die Einbeziehung rechtliche und finanzielle Nachteile entstehen“. Mit dieser Formulierung soll den Arbeitslosen die Angst genommen werden, möglicherweise nur noch Unterhalt auf Sozialhilfeniveau zu erhalten. Im Durchschnitt kann ein Arbeitsloser heute netto mit etwa 1.000 Mark Arbeitslosenhilfe rechnen. Die Beiträge für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung übernimmt die Bundesanstalt für Arbeit. Wie die Sozialhilfe hängt auch die Arbeitslosenhilfe von einer Bedürftigkeitsprüfung ab. Angerechnet werden eigenes Vermögen und Einkommen des Ehegatten. Anders als bei der Sozialhilfe müssen aber nicht Eltern und Kinder für den Bedürftigen einspringen.

Im vorigen Jahr hat die Bundesregierung 25 Milliarden Mark für Arbeitslosenhilfe ausgegeben. Diese Unterstützung wird aus dem allgemeinen Bundeshaushalt finanziert und nicht durch Beiträge der Arbeitslosenversicherung. Die Arbeitsämter verwalten und zahlen das Geld zwar aus. Von ihrer Zusammensetzung und Struktur her zählt die Arbeitslosenhilfe aber als Sozialleistung, auch wenn die Höhe der Hilfe an die Höhe des Arbeitslosengeldes gekoppelt ist. Arbeitslose mit Kindern haben Anspruch auf 57 Prozent des Nettoverdienstes, Kinderlose erhalten 53 Prozent.

Mit dem Projekt MoZArt wolle das Arbeitsministerium „Bezug zur Realität aufnehmen“, sagte Pressesprecher Klaus Vater der taz. In vielen Städten und Gemeinden arbeiteten Arbeitsämter und Sozialhilfebehörden zwar schon lange Hand in Hand, aber die Erfahrungen dieser Kooperationen seien nie systematisch zusammengetragen worden. Ein großer Vorteil einer solchen Zusammenarbeit sei der permanente Datenabgleich zwischen den Behörden. Die Sozialämter in den Modellstädten erfahren nun automatisch, welcher Klient sich auch noch beim Arbeitsamt bedient – und umgekehrt. Gleichwohl, so der Ministeriumssprecher, „stellen wir niemanden unter generellen Missbrauchsverdacht“. Und die Überlegung, am Ende einmal die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzuführen, sei auch nicht „auf der Folie des Faulheitsvorwurfs“ entstanden. Mit seiner Äußerung, Drückeberger sollten künftig stärker verfolgt werden, hatte Kanzler Gerhard Schröder eine Diskussion über Langzeitarbeitslose ausgelöst. Die Modellversuche waren bereits Wochen vor der Debatte konzipiert worden.

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