Der König von Siam

■ Der letzte Held des Indie-Rock und das Leben nach „Pavement“: Stephen Malkmus & The Jicks im Logo

Wer ist er nun? Ein lonely boy at sea oder doch eher der alte Mann am Meer? Die neuen Fotos zeigen Stephen Malkmus im warmen Sonnenuntergangslicht vor blauem Horizont. Die Haare zausig und ein wenig zu lang, ebenso wie dieser Blick, der seinen Träger in eine leicht bekiffte Aura hüllt. Stephen Malkmus in der Pose eines Surf-Pin-ups. Das sieht verdammt gut aus, will aber irgendwie nicht passen.

Der letzte Held des Indie-Rock veröffentlichte jüngst sein erstes Solo-Album, was nach Auflösung von Pavement kein allzu überraschender Schritt war. Erstaunlicher waren da schon die Reaktionen. Malkmus wird als der Popstar gefeiert, der er weder war, noch jemals sein wollte. Während seine Plattenfirma die CD mit dem nicht unironischen Seitenhieb auf den „Pavement mainman you only thought you knew“ bewirbt, benötigte eine Hamburger Stadtillustrierte unlängst zwei Seiten, um zu berichten, dass es über Malkmus eigentlich nichts zu berichten gibt.

Der Mann scheint ein Phantom zu sein. Nur indirekt greifbar über seine Musik und seine Texte, die genau jene Handhabbarkeit meist von sich weisen. „I'm not what you think I am“, singt Malkmus in einem seiner neuen Songs, „I'm the king of Siam / I've got a bald head / My name is Yul Brynner“.

Das ist mal wieder typisch. Schon Pavement funktionierten als Referenzsystem, in dem alle strategischen Bezüge bereits durchdacht waren, und das nie auf seine richtungsweisende Funktion bestand. Als die Band nach mehreren Singles 1992 ihr Album-Debüt vorlegte, war der Independent-Gedanke gerade dabei, zu Ende gedacht zu werden. Mit dem Erfolg von Nirvana schlug das System zurück. Jeder, der wollte, konnte nun im neu eröffneten alternativen Rock-Zirkus mitmachen. Doch Pavement wollten nicht. In der Folge setzten sie alles daran, ihre Marktkonformität als weiße, amerikanische Jungs der Mittelschicht sowohl zu unterminieren als auch zu bestätigen, was zu noch größerer Verwirrung führte. Slanted & Enchanted, schräg und bezaubernd, galt nicht nur als Plattentitel. Gerade auf der Bühne gelang es der Band oft, jedwede Professionalität über Bord zu werfen. Das Spiel mit angezogener Handbremse – darauf verstanden sich Pavement prima. Es war natürlich genau das, was zog: die Formellosigkeit, das Nichtkalkulierte, die fehlende Pose. Bis zum Zeitpunkt ihrer Auflösung standen Pavement wie kaum eine zweite Band für die Utopie der unpopulären Popmusik.

Malkmus nimmt dieses Erbe dankend an. Manche sagen, seine Songs seien jetzt viel eingängiger geworden, doch das stimmt nicht. Der Mann weiß immer noch allerhand gute, krumme Geschichten zu erzählen, bei denen man sehr gut zuhören muss, um sie zu verstehen. Nur begleiten lässt er sich dabei jetzt von anderen Leuten, den Jicks. Darum: Pavement sind tot, es lebe der König von Siam! Michael Hess

Sonntag, 21 Uhr, Logo