: Zunder für den kleinen Sheriff
China reagiert ausgesprochen gereizt auf die bedingungslose Unterstützung des US-Präsidenten für Taiwan: Dieses sei „kein ausländisches Protektorat“
aus Peking GEORG BLUME
Es fehlt nur noch, dass der kleine Sheriff aus Texas seinen alten Freund aus Taiwan eben mal auf einen Drink einlädt. Schließlich wird Lee Tenghui, der ehemalige Präsident Taiwans, in den kommenden Tagen nach Amerika reisen. Und seit wann ist ein amerikanischer Präsident nicht frei, zu treffen, wen er will?
George Bush wird diesen Bruch diplomatischer Gepflogenheiten vermutlich nicht begehen. Washington erkennt nur ein China an. Deswegen ist es hohen amerikanischen Würdenträgern seit 30 Jahren untersagt, taiwanesische Politiker zu empfangen. Und doch: Wundern würde sich heute über ein Treffen Bush-Lee niemand mehr. Denn dem neuen amerikanischen Präsidenten ist es jetzt mit wenigen Worten gelungen, das seit dem historischen Besuch von Richard Nixon bei Mao Tse-tung im Jahr 1971 in sorgfältig gehüteten Klauseln gekleidete, gute strategische Verhältnis zwischen beiden Ländern nachhaltig zu zerstören. Zwar glaubt Peking bislang noch, die jüngsten Äußerungen Bushs seien „irregeleitet“. Mit andern Worten: Er habe sich hoffentlich versprochen. Doch der US-Präsident wird seine öffentliche Erklärung, dass die USA tun würden, „was immer es braucht, damit sich Taiwan verteidigen kann“, kaum zurücknehmen können. Was wäre das für ein Sheriff, der sagt, wann er schießen wird, und dann sagt, er würde doch nicht schießen?
Bushs Aussage widerruft den Kernkompromiss, den Nixons Außenminister Henry Kissinger einst mit Maos Premier Tschou En-lai in Peking aushandelte. Damals einigte man sich, dass die USA keine ausgesprochene Bündnisverpflichtung gegenüber Taiwan eingehen würden, sondern nur eine unausgesprochene in Form von Waffenlieferungen und allgemeinen Äußerungen zum Schutz von Frieden und Demokratie. Und jeder amerikanische Präsident seit Nixon hatte bisher vermieden, das objektiv bestehende Bündnis zwischen den USA und Taiwan auch öffentlich als solches zu erklären.
Es bedeutet nichts Gutes, wenn gestern nur das Pekinger Außenministerium auf die Äußerungen des US-Präsidenten reagierte. Taiwan sei ein Teil Chinas und „kein Protektorat eines ausländischen Staates“, hieß es dort. Das Politbüro aber tagt noch. Und hier werden die Gegenmaßnahmen beschlossen. Sie könnten von neuen Raketenaufstellungen vor der taiwanesischen Küste bis zu Waffenlieferungen an Nordkorea, Pakistan und den Iran reichen. Der Kalte Krieg in Asien hat gerade erst begonnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen