piwik no script img

Schalke spielt im Uefa-Cup

Nach dem 1:1 beim VfL Bochum bleibt sich der Tabellenführer aus Gelsenkirchen treu und bejubelt das vorzeitige Erreichen des erklärten Saisonziels. Nur Trainer Huub Stevens wirkt irgendwie merkwürdig

aus Bochum HOLGER PAULER

Die Schalker schwelgten nach dem Spiel beim Tabellenletzten VfL Bochum im Glück. Durch das Unentschieden habe sich der Verein für den Uefa-Cup qualifiziert, jubilierte Kapitän Tomasz Waldoch. Das Saisonziel sei erreicht. Jetzt endlich könne man sich neue Ziele stecken. Die Meisterschaft vielleicht?

„Aber nein, wir werden doch nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Wir wollen zunächst in die Champions League“, sagte der Kapitän im Augenblick des Erfolges bescheiden, zog allerdings mit einem schelmischen Grinsen davon. Auch Trainer Huub Stevens triumphierte: „Ich bin stolz auf meine Mannschaft, wie sie heute wieder ins Spiel zurückgefunden hat.“ Und tatsächlich, Schalke lag bis zur 71 Minute gegen die „Unabsteigbaren“ aus Bochum zurück.

Nur warum war Stevens so anders als sonst? Warum kritisierte er in völlig ungewohnter Form einen „individuellen Fehler“ von Jiri Nemec, der zum Tor für Bochum führte? Warum guckte er dabei so gar nicht glücklich? Warum polterte er über den für Schalke nicht gegebenen Elfmeter? Ist doch wurscht. Schalke darf schließlich beim Uefa-Cup mitmischen. Und warum hatte Stevens überhaupt völlig überraschend Andreas Möller ausgewechselt und das mit den dramatisch anmutenden Worten begründet: „Weil wir das Spiel gewinnen wollten“? Sind solche Reaktionen nicht undankbar von einem, der gerade das große, kaum für möglich erachtete Saisonziel erreicht hat? Möller jedenfalls, einer der Garanten für die erfolgreiche Saison der Schalker, mochte – wohl aus wohligem Einverständnis – die Worte des Trainers nicht kommentieren.

Von Beginn an schien für die Königsblauen der Trip zum Nachbarn aus Bochum nur reine Formsache. Der weitaus größte Teil der Zuschauer im ausverkauften Ruhrstadion stand hinter Schalke. Auf Bochumer Fan-Seite wurde lediglich über die Höhe des Schalker Sieges diskutiert. Nur um die Schalker augenzwinkernd zu provozieren, riefen sie „Auswärtssieg“, und meinten damit die eigene Mannschaft. Selbst Bochums Trainer Rolf Schafstall wollte dem Saisonziel der Schalker nicht im Wege stehen und zog es vor, völlig ohne gelernte Angreifer anzutreten. Wenn schon auswärts, dann richtig. Nicht gerade modern, aber verwirrend, wie Tomasz Waldoch befand: „Ich habe so etwas lange nicht mehr gesehen. Wir waren sehr überrascht.“

Mit den unerwarteten Freiheiten wusste der Favorit aus Gelsenkirchen zunächst nichts anzufangen. Andreas Möller scheiterte zwar zweimal freistehend an dem grandiosen Torhüter Rein van Duijnhoven; wie später auch noch Emil Mpenza. Doch die Aktionen der Königsblauen wirkten statisch und verkrampft. Zu sehr waren sie wohl durch die Niederlagen von Kaiserslautern, Bremen und Freiburg in den Nachmittagsspielen irritiert, die das Erreichen eines Tabellenplatzes unter den ersten Sechs drei Spieltage vor Saisonende realistisch erscheinen ließ. Ungewohnt viele Fehlpässe, wilde Gesten auf dem Platz. Typische Folge der Angst vor dem Erreichen eines Uefa-Cup-Platzes. Die Nervösität übertrug sich zusehends auf die Ränge. Die beliebten Gesänge: „Wir wollen in den Uefa-Cup“ blieben diesmal aus. So sahen sie also aus, die schweren Spiele gegen die unangenehmen Gegner, vor denen Manager, Trainer und Spieler immer wieder zu Recht gewarnt hatten, um den Spielern ein Alibi für eventuelle Fehler zu geben und ihnen dadurch die Nervosität zu nehmen. Ein Rätsel, warum ausgerechnet der „Meister“ Jiri Nemec nicht davon profitieren konnte und durch einen anfängerhaften Stockfehler den Führungstreffer der Gastgeber durch Paul Freier einleitete. Merkwürdig auch, warum Mike Büskens, der sich durch solide Leistungen den Weg in die Stammelf zurückgekämpft hatte, einen Fehlpass nach dem anderen produzierte. Und unverständlich, dass Andi Möller nicht wie gewohnt die Fäden zog.

Nach dem Seitenwechsel dasselbe Bild. Stereotyp vorgetragene Schalker Angriffe, die in der Abwehr der Gastgeber hängen blieben. Das eine Tor, das wir zum Unentschieden brauchen, sagten sich die Schalker wohl, machen wir früher oder später mit links. Und tatsächlich: Plangemäß erzielte Emil Mpenza in der 71. Minute ein Tor – wenngleich mit dem Kopf. Zwar taten die Schalker Spieler nun durch hektische Angriffsbemühungen so, als wollten sie noch ein Tor erzielen. Aber in Wirklichkeit ging es nur um Vorwärtsverteidigung. Schalke war schließlich durch das Unentschieden bereits am Ziel seiner Träume.

VfL Bochum: Van Duijnhoven - Reis - Toplak, Schröder - Colding, Schindzielorz, Mandreko (46. Lust), Fahrenhorst, Meichelbeck (60. Schreiber) - Bastürk - Freier (84. Bemben) Schalke 04: Reck - Nemec, Hajto, Waldoch - Van Hoogdalem (65. Kamphuis), Büskens, Asamoah, Böhme, Möller (83. Mulder) - Sand, Mpenza Zuschauer: 33.645; Tore: 1:0 Freier (21.), 1:1 Mpenza (71.)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen