: Aiß-Hacki on air
„Dieses Spiel hat meine Seele geprägt“: Wie prickelnd Exprofi Rick Amann, Mitkommentator von Premiere World, die Eishockey-WM präsentiert
aus Köln BERND MÜLLENDER
Rick Amann kommt ziemlich knapp. „O Mann“, sagt der 40-Jährige, „wir sind fast schon on air“, und huscht ins enge Stadionstudio hoch oben in der Kölnarena. Lettland gegen USA, Montagabend. Amann kommentiert mit, als Drittelpausenexperte für den WM-Sender Premiere World.
On air: „Unsere amerikanischen Freunde“ nennt der gebürtige Kanadier und 48-fache deutsche Nationalverteidiger seine Exnachbarn gleich. Die Ironie ist unüberhörbar. Für die US-Boys, erklärt Amann, „ist die WM ja nur eine Nebenshow“. Drüben laufen die Play-offs der NHL, was viel wichtiger sei. Also wollen sie das Turnier „mit diszipliniertem Spaß“ spielen. Ist das auch sein Motto? „Passt fast“, sagt Amann, „aber weniger mit Disziplin, mehr mit professionellem Spaß.“ Bei Puckfreunden ist der Ex-Düsseldorfer DEL-Crack kultverdächtig. Souverän in der Analyse sind auch andere. Bei Amann kommen der besonders strenge kanadische Akzent dazu und die fein gesetzten anglizistischen Tupfer. Das alles sehr prononciert und fast so schnell, wie der Puck fliegt: Amann redet quasi waterfallartig. Montagabend hörten wir von der Nutralzone, vom Aufbau-Pähß und schöne Mixturen wie mentally gut, riesick gesaved oder vom guten Match gegen all die Big Stars. Was für eine Spiel ... eine Chance ... eine Hammer ... was für eine Save! Und immer: Hocki, Aiß-Hocki, besser: Aiß-Hacki.
Es sei „eine lustige Geschichte“ gewesen, wie es anfing mit Fernsehen nach seiner Karriere zwischen den Banden. Amann hat Marketing studiert in Vancouver, da lag irgendwas mit Fernsehen nahe. „Als Kirch 1995 die Liga-Rechte kaufte, hab ich mich beworben beim DSF. Eine Assistentin fragte am Telefon: ‚Rick Amann, was ist das?‘ Naja, ich wollte was mit Vermarktung machen, Produktion vielleicht. Und dann saß ich vor der Kamera. Nach dem ersten Einsatz sagten alle: Ey, der ist echt telegen, egal, wie er sein Deutsch spricht. Und eine Zeitung schrieb: Der muss mehr sprechen, den wollen wir öfter.“
Mittlerweile sind es fast 400 Einsätze vor der Kamera. Er, der Gast, ist hier beim exklusiven Kleinsender fast der Chef im Ring. Er posiert zwischendurch zur Kamera, kaspert mal ein bisschen, korrigiert den Moderator, sagt off air, was er sagen will zu welcher Einspielszene. Spaßdisziplin. 2. Drittelpause, eben war das 1:0 für die Letten gefallen. „Genau ricktick analyßiert“, ja da hätten die US-Boys vergessen, dass sie „mussen aufraumen vor die Tor“.
„Hacki ist mein Leben“, sagt Amann. Er möchte „den Zuschauern ein Gefühl für die Komplexität und das taktische Kalkül dieser Sportart geben“. Und den Fans „mit kleinen Insider-Anekdoten ihre Idole ein wenig näher bringen.“ All in all: „Das Spiel hat meine Seele geprägt.“ Und es möge doch auch das anderer sein. Als kleiner Junge habe er in MacGregor/Manitoba „mit gefrorener Kuhscheiße gespielt, und ich hab sie immer ins Tor geschossen. Wenn ich heute mit meinen Kommentaren nur ein Kind in Deutschland erreiche und das sagt: ‚ey, geiles Spiel‘, dann kann ich sagen: I have done my job.“
Wenn die WM vorbei ist, dann ist nach fünf Jahren auch Schluss mit Amann on air. Dann geht’s wieder on ice; Amann wird Trainer bei den Krefeld Pinguinen: „Eine neue Herausforderung.“ Im Krefelder Fanchat liest man derweil auch Sätze wie: „Ohne sein Kauderwelsch hätte jeder längst gemerkt, dass er sich wichtiger nimmt als das Eishockey.“ Amann grinst vage. Das Letzte sei natürlich Unfug. Fernsehen sei immer Darstellung, Schauspielerei, „so ist das eben“. Aber das Kauderwelsch sei „nicht Masche“, sondern eben er selbst, authentisch. „Und glauben Sie mir: Ich finde mich schrecklick. Wenn ich mich auf Video höre – nein! Es klingt so peinlich. Aber jetzt ist mein Fernsehpatent abgelaufen. Sonst werde ich wirklich noch mein eigener Darsteller.“
Lettland gewinnt das wilde Tempo-Match 2:0. „Was für ein Spiel“, staunt Rick Amann mit ungespielter Begeisterung in die Kamera, „Äcschen überall, das beste Spiel bislang bei der WM“. Und wie war das mit den amerikanischen Freunden? War da nicht ein feines, kleines Lächeln der Schadenfreude bei den beiden lettischen Toren? „Naturlick“, sagt Amann, als wäre die Frage eine Beleidigung, „Amis verlieren zu sehen ist immer schön. Diese Arroganz, der furchtbare Nationalism. Alle Kanadier sagen: Beat the Americans! Und heute, bei diese great match, haben sie mit viel Klasse ricktick schön verloren.“
Ein toller Abend. Auch, hatte der Eishockey-Ethnologe Rick Amann noch sein TV-Publikum wissen lassen, für die Verlierer: „Amis lieben den Schmerz.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen