kommissar wallander und die belegten brote:
von WIGLAF DROSTE
Kriminalschriftsteller, deren Romane mit Blut getränkte moralische Traktate sind, gibt es viele; selten aber hat einer so säuerliche Ware aufgetischt wie der Schwede Henning Mankell. Im 1994 geschriebenen, jetzt auf deutsch erschienenen Roman „Der Mann, der lächelte“ (Zsolnay 2001) jagt Mankells Kriminalkommissar Kurt Wallander einen Großunternehmer, hinter dessen sorgfältig geschönter Fassade sich erstaunlicherweise kein Ehrenmann verbirgt, sondern, huch!, ein übler Schurke. Schlimme Sache das, überhaupt ist alles schlimm schlimm bei Wallander, und früher war alles besser, sogar das Verbrechen.
Das Buch ist so faszinierend wie ein Pfarrer mit Mundgeruch. Als Alternative zum erfolgsgrinsenden Geschäftemacher, der so gewohnheitsmäßig über Leichen geht wie einst Jesus übers Wasser, dient Mankell der Welt die reformierte Jugendherberge an, mit Kommissar Wallander als Herbergsvater, einer Einrichtung von Ikea, vielen Diskussionen, gemeinsamem kaltem Abendbrot und trister Heimleiterprosa: „Er beschloß, an diesem Tag keinen Kaffee mehr zu trinken, und legte sich statt dessen aufs Bett, um vor der Durchsicht der Unterlagen noch ein wenig auszuruhen.“ Es sind Sätze aus dem Fahrtenbuch des Gewerkschaftssekretärs: „Die letzten Abendstunden widmete er der Vorbereitung der Pressekonferenz.“ Mankells zähes Geholper wimmelt von Wörtern wie „Konferenzzentrum“ und „Etatkonferenz“, und der Weg zur sozialdemokratischen Vorhölle ist gepflastert mit guten Vorsätzen und schlechtem Essen. Mir ist kein Buch bekannt, in dem so oft und so viele belegte Brote gemampft werden, immer und immer wieder belegte Brote.
Die protestantische Brotvermehrung beginnt bei einem sommerlichen Fahrradausflug: „Auf dem Gepäckträger hatte er eine Plastiktüte mit belegten Broten.“ Der spätherbstliche Marsch durch die Dünen gestaltet sich ähnlich: „Er holte die belegten Brote und die Thermosflasche hervor.“ Auch der Polizistenalltag ist ein hartes, belegtes Brot: „Er hielt an der OK-Tankstelle an der Einfahrt nach Ystad, trank eine Tasse Kaffee und aß ein belegtes Brot.“ Sso ssön isst Ssweden: „Er war allein im Lokal und bestellte Kaffee und ein Käsebrötchen.“ Zur Abwechslung wird Auto gefahren, aber nicht zu lange: „Unterwegs hielt er an Fridolfs Konditorei und kaufte sich ein paar belegte Brote.“ Weil man gar nicht genug an der Entwicklung seiner Persönlichkeit arbeiten und feilen kann, wird zu Hause tüchtig nachgesessen und -gegessen: „Wallander fuhr nach Hause und aß in der Küche ein paar belegte Brote, bevor er zu Bett ging. Lange wälzte er sich hin und her . . .“ Allen Ernstes wundert sich der Mann darüber, dass er Depressionen hat.
Der Konfirmationsunterricht für Erwachsene, die Händeringen für ein Vergnügen halten, endet mit einer Predigt darüber, dass es „uns gelingen muß, dem Unbegreiflichen zu widerstehen“. Das ist schon wieder eine Luftpumpe. Denn dem wirklich Unbegreiflichen, den mit evangelischer Margarine bestrichenen Oblaten von Henning Mankell, widersteht es sich mit Leichtigkeit.
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