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Neue Offensive in Makedonien

Nach dem Tod von zwei ihrer Soldaten holt die makedonische Armee zu einem weiteren Militärschlag gegen die Kämpfer der albanischen Befreiungsarmee UÇK aus

SPLIT taz ■ Makedonien kommt nicht zur Ruhe. Nach Überfällen der UÇK auf makedonische Soldaten und Vergeltungsaktionen von Makedoniern in der südmakedonischen Stadt Bitola am vergangenen Dienstag hat die makedonische Armee gestern nachmittag eine neue Offensive gegen albanische Rebellen begonnen. Dem waren Auseinandersetzungen in zwei Dörfern 30 Kilometer nordwestlich von Skopje vorausgegangen. Am Morgen waren zwei makedonische Soldaten in dem albanischen Dorf Vaksince getötet worden. Die makedonische Regierung ordnete daraufhin die Evakuierung aller Bewohner der Dörfer Vaksince und Slupcane bis 15 Uhr an.

Die Regierung warf der UÇK vor, die albanische Zivilbevölkerung als Schutzschild zu benutzen. Ein UÇK-Sprecher erklärte hingegen, die Soldaten seien Eindringlinge gewesen, die das Dorf Vaksince angegriffen hätten. Diese Dörfer seien „befreites Gebiet“.

In dieser Region scheinen die Dinge ähnlich abzulaufen, wie vor mehr als vier Wochen in den sieben Dürfern nördlich von Tetovo. Auch damals gingen der Ausrufung einer „befreiten Zone“ durch die UÇK Angriffe der makedonischen Sicherheitskräfte auf die Zivilbevölkerung voraus. Die UÇK nutzt die Situation, um sich als Beschützer der Albaner zu präsentieren. Angesichts der militärischen Kräfteverhältnisse jedoch wird die Zivilbevölkerung in Vaksince und Slupcane gezwungen sein, ihre Dörfer zu verlassen. Nach der Militäraktion der makedonischen Armee Ende März nördlich von Tetovo mussten Tausende von Menschen aus den „befreiten“ Dörfern in das Kosovo fliehen.

Zurück bleiben Spannungen zwischen beiden Bevölkerungsgruppen auch in den anderen Landesteilen. Nach Informationen aus Skopje sind auf der makedonischen Seite jetzt auch bewaffnete Zivilisten aktiv. Schon während der Ereignisse in Tetovo bildeten sich paramilitärische Gruppen der Makedonier. Sie griffen in die Kämpfe nicht ein, „solange die Armee sich durchsetzen kann“, wie eines ihrer Mitglieder erläuterte. Die Zerstörung albanischer Geschäfte in Bitola zeigt zudem eine neue Qualität. Wenn völlig Unschuldige, nur weil sie Albaner sind, angegriffen werden, wird die Auseinandersetzung zwischen Armee und UÇK ein nationaler Kampf. Und das genau ist es, was die Radikalen beider Seiten wollen.

Die internationale Seite fordert daher beide Bevölkerungsgruppen zu ernsten Gesprächen auf. Bei seinem Besuch in Washington wurde Präsident Boris Trajkovski von Präsident Bush empfangen. Bush machte klar, dass die USA den Zerfall des Staates nicht hinnehmen werden. Für 2002 soll die US-Hilfe für Makedonien von 38,4 auf 45 Mio. Dollar erhöht werden. Die Militärhilfe soll 17, 2 Mio. für 2001 betragen. 10 Mio. sollen an die Universität von Tetovo gehen.

In den Augen der Albaner zeigen die USA damit, dass sie für die makedonische Seite Partei ergreifen. Da auch die EU ähnlich vorgeht, fühlen sich viele Albaner „von der Welt verlassen“. Nach Informationen aus Tetovo sei die albanischen Bevölkerung tief enttäuscht, während makedonische Paramilitärs sich nach der Entlassung des albanischstämmigen Polizeichefs der Stadt gestärkt fühlen.

ERICH RATHFELDER

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