: Bremsen für die News
Im Panel „Die verschwiegene Republik“ wurde diskutiert, wie Berlin, Schröder und der rasende Zeitgeist die Medien verändern. Und was dagegen zu tun ist
von KLAUS HILLENBRAND
Man mag meinen, Journalisten nähmen Enthüllungen, politische gar, grundsätzlich mit großer Dankbarkeit auf. Aber hat man so etwas schon einmal erlebt? Da gibt die stellvertretende Pressesprecherin der Bundesregierung, Charima Reinhard, auf dem taz-Podium „Die verschwiegene Republik“ einmal bisher gänzlich Unbekanntes preis: Die Internetseite www.cvd.Bundesregierung.de nämlich, die hiermit auch den gar nicht Berechtigten, dem gemeinen Publikum nämlich, mitgeteilt ist. Ihrer, so Reinhard, mögen sich die Journalisten doch bitte zuerst einmal bedienen, wenn sie etwas auf dem Herzen haben, schon deshalb, weil die Zahl der Anfragen „überproportional gestiegen“ sei.
Und was ist der Dank? Höhnisches Gelächter, Wiederspruch gar vom Presseflaggschiff Frankfurter Allgemeine Zeitung in Gestalt ihres Parlamentskorrespondenten Karl Feldmeyer: „Das ist eine Beleidigung.“ Nichts ersetze die kritische Nachfrage bei den Regierenden, schon gar nicht neumodische Elektronik, bei der man zwar dem Bundespresseamt genehme Antworten bekommt, aber gar keine Fragen stellen kann. Der wohlmeinende Rat ward in Bausch und Bogen verworfen, und Friedrich Küppersbusch brachte das Verhältnis zwischen Regierungssprechenden und Presse auf den Punkt: „In freier Wildbahn sind wir Fressfeinde.“
Ist die Republik nun verschwiegener geworden, wie der Titel der Gesprächsrunde nahe legte? Geändert hat sich jedenfalls allerhand für die Medien seit dem Umzug aus dem lauschigen Bonn ins hektische Berlin und dem Wechsel vom bräsigen Kohl zum mediengeilen Schröder. Aus zwei gemütlichen Bonner Lokalblättern sind in Berlin rund ein Dutzend scharf miteinander konkurrierende Zeitungen von taz bis zur Welt geworden plus einer Kohorte Radio- und TV-Sender – und auch die Zahl der auswärtigen Medienvertreter auf der Bundespressekonferenz hat sich gewaltig vermehrt. Die regionalen Zeitungen, bilanzierte Johannes Schradi von der Badischen Zeitung in Freiburg, gerieten in der Informationspolitik und bei Interviewanfragen zunehmend ins Abseits – was von der Regierungssprecherin selbstredend dementiert wurde – und die Bevorzugung des Fernsehens gegenüber den Printmedien sei offensichtlich. Dies bestätigte auch ntv-Mann Küppersbusch, der den Politikern eine maßlose Überschätzung der Flimmerkiste vorwarf. Aber „wir lassen sie in dem Volksaberglauben“.
Auf ein ganz spezielles Problem verwies taz-Parlamentskorrespondent Jens König: Ausgerechnet die taz nämlich habe unter dem Wechsel zu Rot-Grün am meisten zu leiden, weil die einen nun der Mär aufsitzen, die Zeitung sei ein grünes Regierungsorgan, während grüne Politiker tief enttäuscht sind, dass ausgerechnet „ihre“ Zeitung all die großartigen Reformen nicht recht zu würdigen weiß.
Als die eigentlich schwerwiegendste und zugleich bedrohlichste Entwicklung aber bilanzierte das Podium die Beschleunigung der Themen, die Rasanz, mit der eine Geschichte die andere ablöst, noch ehe die erste auch nur in Teilen aufgeklärt ist. Auf Kohl folgten Kampfhunde, dann die NPD, schließlich die angebliche Faulheit deutscher Arbeitsloser, klagte nicht nur Küppersbusch: „Und wenn unsereins die Recherche vergisst, meldet sich der freie Mitarbeiter Leisler Kiep und hat in seinem Keller noch mal eine Million gefunden.“ Und dann diese dauernde Personalisierung, klagten die Medienvertreter, die Geschichten aus dem Privatleben der Politiker ... Feldmeyer vermutete hinter all dem handfeste Interessen der Politik: „Die Politiker muten dem Volk nicht mehr alles zu.“
Dass es die Journalisten aber selbst sind, die „jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf treiben“ (Küppersbusch), diese Erkenntnis wuchs zu einem Versprechen, dessen Einhaltung abzuwarten bleibt: Es sei dringend geraten, ein Thema, von dessen Bedeutung man ohnehin nicht überzeugt ist, auch einmal zu lassen. Entschleunigung also, Recherche statt Redundanz. Um an das augenfälligste Versagen fast aller deutschen Medien in diesen rasenden Zeiten zu erinnern, bedurfte es des Publikums: der Kosovo-Krieg. Küppersbusch umstandslos: „Da haben wir alle gepennt.“
KLAUS HILLENBRAND, 43, ist Ressortleiter der Chefs vom Dienst in der taz
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