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Pause vom deutschen Alltag

Eine Sprache lernen, Abenteuer oder einfach nur mal raus: Drei junge Leute erzählen von ihren Erfahrungen mit der Auszeit  ■ Von Michaela Soyer

Nach dem Abi das Abenteuer: Wiebke Schäfers Augen leuchten auch noch zwei Jahre nach ihrer Rückkehr aus Togo, wenn sie an ihr Jahr in Afrika denkt. Auf der Suche nach Herausforderung, Abenteuer und einer ganz anderen Welt ging die Musikstudentin damals mit der Norddeutschen Mission nach Togo. Da gab es erstmal jedoch nichts für sie zu tun: „Eigentlich sollte ich in einem Frauenprojekt arbeiten, aber das hat nicht geklappt.“ Also suchte sie sich selber eine Aufgabe. Sie ersetzte den streikenden Deutschlehrer in einem College in Kpalimé und baute einen Flötenkreis auf. Die heute 23-Jährige arbeitete in einem Kindergarten und bereiste mit dem Regionalchor die Nachbardörfer. Größte Probleme bereitete ihr nach ihrer Rückkehr der Konsum. „Hier kauft man sich ein Bier für fünf Mark, davon kann in Togo ein Kind eine Woche lang leben.“ Für ihre Erfahrungen ist sie dankbar: „Es war unglaublich, das ganz andere nicht nur zu sehen sondern es mitzuerleben.“

Auch für Katharina Haidt stand fest, dass sie nach dem Abi raus muss aus Deutschland. „In welches Land“ sagt die 22-Jährige, „war mir egal, Hauptsache ein soziales Projekt.“ Sie wurde auf die Aktion Sühnezeichen Friedensdienst e.V. (ASF) aufmerksam. Die Organisation arbeitet in Ländern und mit Gruppen, die besonders unter dem Nationalsozialismus zu leiden hatten und schickt junge Leute beispielsweise nach Israel, Polen, Frankreich und in die USA. Katharina ging im März 1998 nach Andeba in Norwegen und arbeitete dort 18 Monate lang in einem Heim für Gehörlose. Für sie „war es sehr spannend die Gebärdensprache zu lernen“. Trotzdem sei es ihr am Anfang schwer gefallen, sich in dem großen Projekt zurechtzufinden. Die Studentin arbeitete mit einer Gehörlosenband und verbrachte mit jeweils einem Heimbewohner seine Freizeit. „Das war wie mit einem Freund, wir sind segeln oder angeln gegangen.“ Vor ihrem Norwegen-Aufenthalt hatte Katharina keine Lust mehr, in Deutschland zu leben. „Aber als ich zurückgekommen bin, habe ich mich einfach gefreut, wieder meine Sprache zu sprechen.“ Heute studiert sie Illustrationsdesign.

Simon Golshan wäre am liebsten noch länger geblieben, im Dinseyland Paris. Der Jurastudent ist erst seit Ende Januar wieder in Hamburg. Simon ist vor allem nach Frankreich gegangen um fließend Französich zu lernen. Die Broschüre der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) hat ihn auf das Angebot aufmerksam gemacht. Nach einem Bewerbungsgespräch bekam er den Job an der Rezeption des Disney Hotels „New York“ .

„Ich dachte der ganze Disneykram geht einem schnell auf die Nerven“, gesteht der 20-Jährige. Aber das Gegenteil war der Fall. Einmal im Monat fanden Motivationsseminare statt, die dafür sorgten, dass er und seine Kollegen sich mit ihrem Unternehmen identifizieren. Bei einer 35-Stunden Woche hatte Simon Zeit, regelmäßig nach Paris oder in die Dörfer der Umgebung zu fahren. Für Simon hat sich die „kleine Auszeit nach dem Abi“ gelohnt. „Ich habe einfach mal über meinen Tellerand hinausgeschaut“, sagt er.

Wer auch Lust bekommen hat ins Ausland zu gehen, kann mit Hilfe des Internets unter www.entwicklungsdienst.de das passende Projekt finden. Unter Tel.: 02 28/63 44 24 kann die Broschüre Chancen des persönlichen Engagements im Ausland mit einer Auflistung aller wichtigen Organisationen angefordert werden.

Die Norddeutsche Mission fährt nicht mehr nach Afrika, aber die Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste haben in einem Workcamp im Senegal vom 6. bis 25. August noch Plätze frei. Anmeldung unter Tel.: 030/611 10 92

ASF ist unter www.asf-ev.de oder unter Tel.: 030/28 395-184 zu erreichen. Die Broschüre der ZAV Jobs und Praktika im Ausland kann unter Tel.: 02 28/713-1482 bestellt werden.

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