: das buch
„Siegfried“
Dieses Frühjahr ist in den Niederlanden der neue Roman von Harry Mulisch erschienen. „Siegfried“ ist ein Knüller, die erste Auflage war nach drei Wochen verkauft. Mulisch hatte erklärt, eine definitive Aussage über Hitler machen zu wollen. Das wollten viele Leser genauer wissen.
Hauptfigur ist der berühmte Amsterdamer Schriftsteller Rudolf Herter, unschwer als Mulischs Alter Ego zu erkennen. Er reist zu einer Lesung nach Wien und lernt dort das alte Ehepaar Falk kennen. Die Falks, früher als Kammerdiener Hitlers auf dem Obersalzberg beschäftigt, erzählen ihm eine unglaubliche Geschichte. Hitler habe mit Eva Braun einen Sohn gehabt, den die Falks als ihr Kind ausgeben mussten. Kurz vor Kriegsende erteilt Hitler die Anweisung, den fünfjährigen Siegfried umzubringen.
Herter glaubt nun, dem Geheimnis Hitlers auf der Spur zu sein. Wie immer bei Mulisch, so wartet er auch hier mit großen philosophischen Gedankenkonstrukten auf, nennt Heidegger, Schopenhauer, Kierkegaard, entdeckt eine mysteriöse Verbindungslinie zwischen Nietzsche und Hitler. Hitler sei „das Nichts“, das Nietzsche vorhergesehen habe – ein schwarzes Loch. Der Schriftsteller im Buch kommt diesem schwarzen Loch zu nahe und stirbt. Das legt die Vermutung nahe, dass sein Schöpfer Mulisch nun erlöst sein könnte.
Wir haben ihn gefragt, und er hat ausführlich geantwortet. Das Gespräch fand in seinem berühmten Amsterdamer Arbeitszimmer statt, das sich über die ganze Etage eines alten Grachtenhauses erstreckt und aussieht wie eine prachtvolle Bibliothek. Zuvorkommend und freundlich bot der Meister Kaffee an, stopfte sich die Pfeife und erzählte über sein neues Buch.
Die deutsche Übersetzung erscheint Anfang August bei Hanser.
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