: „Abweisung ist überholt“
■ Kultusminister tagen in Hamburg. Gastgeberin Sager fordert neue Philosophie im Umgang mit ausländischen Studierenden
Um den Wissenschaftsstandort Deutschland ist es nicht allzu gut bestellt. 1,3 Millionen Akademiker gehen bis 2008 in Rente, gleichzeitig sinkt die Studierbereitschaft und ab 2008 auch die Zahl der Abiturienten. All dies sind Themen der Kultusminister-Konferenz (KMK), die morgen im Hamburger Hotel Steigenberger tagt.
„Wir brauchen eine neue Philosophie im Umgang mit ausländischen Studierenden“, fordert Gastgeberin Krista Sager (GAL) anlässlich der Tagung. Gültige Bestimmungen seien nur Ausdruck einer „Abweisungsstrategie“, die ausländischen Studierenden unterstelle, sie wollten „den Deutschen die Arbeit wegnehmen“.
So würden mitunter Deutsche Botschaften ausländischen Studenten, die bereits einen Platz haben, das Visum verweigern, weil sie eine „Motivationsprüfung“ nicht bestehen. Auch müssen Studierende aus Nicht-EU-Ländern unterschreiben, dass sie das Land nach dem Abschluss wieder verlassen. 70 Prozent dieser Studierenden seien gezwungen, nebenher zu arbeiten. Einen Teilzeitjob dürfen Nicht-EU-Studenten jedoch nur annehmen, wenn kein EU-Bürger diese Arbeit will. In den Semesterferien gilt dies nicht, die Arbeitszeit ist aber auf 90 Tage beschränkt. Sager: „Da zählen auch halbe Tage und wenige Stunden als Tag. Das reicht zum Leben nicht aus.“
Die Wissenschaftssenatorin hatte bereits im Juli 1999 eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel gestartet, diese Beschränkungen zu lo-ckern, war aber am Widerstand von Innen- und Arbeitsministerium gescheitert. Im Hinblick auf das geplante Zuwanderungsgesetz wird sich nun die KMK erneut mit dem Thema befassen und im September eine „Empfehlung“ abgeben. Für Sager gibt es aus wissenschaftspolitischer Sicht einiges zu bedenken. So sei es „sehr fraglich“, ob man Hochschulabsolventen einen Integrationskurs aufzwingen sollte. Auch würden AkademikerInnen schlechter gestellt, wenn man bei der Zuwanderung – wie von Gewerkschaften vorgeschlagen – sehr jungen Menschen, die noch ein langes Arbeitsleben vor sich haben, den Vorzug gibt.
Die KMK, die erstmals seit 1995 wieder in der Hansestadt tagt, wird sich auch kritisch mit der Frage der Lehrerversorgung befassen. Allein in Norddeutschland werden bis 2005 über 10.000 Lehrer fehlen, zwölf Prozent davon in Hamburg.
Auch die umstrittene „Besoldungsreform“, die eine Bezahlung von Professoren nach Leistung vorsieht, wird am Rande verhandelt. Es gebe, so Sager, in dieser Frage auch Widerstand aus SPD-Ländern. Sie werde am Wochenende mit Parteikollegen beraten, „ob wir hier die Koalitionskarte ziehen“.
Still geworden ist es um den Dauerbrenner Studiengebühren. Die KMK hatte sich im Mai 2000 auf einen Kompromiss geeinigt, der das „grundständige Erststudium“ kostenfrei hält und darüberhinaus Gebühren erlaubt. Allerdings weigerten sich die Ministerpräsidenten der Länder, eine entsprechende Vereinbarung zu unterzeichnen. Kaija Kutter
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