: Kinder kann man nicht kaufen
Diskussion mit Familienministerin Bergmann: Kindergeld nützt nichts, wenn Frauen wieder Spaß an Familie finden sollen. Beruf und Familie müssen vereinbar werden
BERLIN taz ■ 300 Mark Kindergeld, 500 Mark Kindergeld, 1.200 Mark Kindergeld. Und schon bekommen die Leute wieder mehr Kinder, und die Sozialsysteme sind wieder im Lot. Oder? „Familienpolitik als Wirtschaftpolitik“ ließ die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft am Montag anlässlich ihres zweiten Geburtstags diskutieren. Knapp erledigte Familienforscher Wassilios Fthenakis dabei die Kindergelddebatte mit einer empirischen Tatsache: Je mehr Geld Familien haben, desto weniger Kinder bekommen sie. Was die Frauen vom Kinderkriegen abhalte, sei vielmehr die Aussicht, sich mit dem zweiten Kind endgültig aus dem Erwerbsleben zu verabschieden.
Und schon war man beim Thema Ganztagsbetreuung. Bundesfamilienministerin Christine Bergmann beklagte, dass Ganztagsschulen in den reichen Bundesländern im Süden teilweise immer noch für „Teufelswerk“ aus dem Osten gehalten würden. Auch ihr Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, das die Unternehmen unter anderem zu familienfreundlichen Arbeitszeiten animieren sollte, sah sie an betonartigen Rollenvorstellungen in den Arbeitgeberverbänden scheitern: „Die schlimmsten Brocken sind die Verbandsvertreter.“
Familienpolitik müsste eigentlich in Unternehmen betrieben werden, hatte auch Michael Steiner von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group bemerkt, als sich seine eigene Tochter auf Arbeitssuche machte. Im internationalen Vergleich sei der Stand der Unternehmenskultur in dieser Hinsicht in Deutschland „schlicht eine Katastrophe: Sie wissen zwar inzwischen, wie man Mitarbeiterinnen gewinnt, aber nicht, wie man sie hält“. Der Unternehmensberater zitierte grandiose Zahlen des amerikanischen Chemieriesen Dupont, der 1,5 Millionen Dollar in „Work-Life-Balance“- Programme investierte und daraufhin 10 Millionen Dollar an Kosten sparte, weil die Produktivität stieg, MitarbeiterInnen weniger krank waren und weniger oft den Job wechselten. „Aber wenn wir mit weiblichen Beratern zu einer Firma kommen, dann stehen wir immer noch perplexen Vorständen gegenüber, die fragen, was ist das denn? Das ist Ihr Team?“ Trotz hervorragender Verkaufsargumente sei das Produkt Frauenförderung „nicht verkaufbar“. Fazit: Der Staat muss den Anstoß geben, über Kinderbetreuung und über Förderprogramme, die die Unternehmenskultur verändern.
Die Europäische Akademie etwa bietet ein Online-Programm für kleine und mittlere Unternehmen an, das zusammen mit Ratschlägen für die Personalpolitik gleich die Förderungsmöglichkeiten mit auflistet. Käme es tatsächlich noch zu einem Gleichstellungsgesetz, so könnte die Adresse „www.e-quality-management.de“ noch ein Renner werden. HEIDE OESTREICH
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