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„Ich bin keine Schreibmaschine“

■ Barbara Honigmann muss ununterbrochen über Fragen der jüdischen Identität nachdenken. Für ihre Bücher hat sie jetzt den Jeanette-Schocken-Preis bekommen

Schon ihr Tonfall verrät sie. Sie ist eine waschechte Berlinerin. Sehr lebendig, sehr direkt. In ihren literarischen Texten schlägt sie einen anderen Ton an: Sie sind zart, lakonisch und eher leise. Barbara Honigmann hat am Wochenende in Bremerhaven den Jeanette-Schocken-Preis erhalten. Die Schriftstellerin und Malerin wurde 1949 in Ostberlin geboren, wohin ihre jüdischen Eltern aus dem Exil zurückgekehrt waren. Seit 1984 lebt sie mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Strassburg. 1986 erschienen ihre ersten Erzählungen unter dem Titel „Roman von einem Kinde“. Die Jury würdigt in ihrer Preisentscheidung vor allem die Fähigkeit der Autorin, „die historische Vergangenheit jüdisch-deutscher Geschichte in poetischer Klarheit zu benennen.“ Barbara Honigmann im Gespräch mit der taz.

taz: Sie haben zur Preisverleihung in Bremerhaven einige Ihrer Bilder mitgebracht. Bilder, die Anfang der 90er Jahre entstanden sind. Haben Sie die Malerei inzwischen an den Nagel gehängt?

Barbara Honigmann: Gar nicht. Nein. Das hängt damit zusammen, dass es gleichzeitig eine Ausstellung in Berlin gibt. Aber ich male nicht sehr viel. Ich habe einen Rhythmus. Wenn ich ein Buch fertig habe, räume ich das Schreibzeug weg, hole die Staffelei raus, und dann wird ein paar Monate nur gemalt.

Sie erzählen in Ihrem Buch „Damals, dann und danach“, wie schwer es ist, sich als Frau, die Kinder aufzieht, einen Raum für die Kunst zu schaffen. Mussten Sie um jedes bisschen Zeit kämpfen?

Es war ein innerer Druck, ein Kampf der Rollenauffassungen. Ich musste mich fragen, bin ich Hausfrau, Mutter oder Künstlerin. Das ging nicht ohne Schuldgefühle. Ich habe auch verhältnismäßig wenig geschafft. In den ersten zehn Jahren gerade drei Bücher und zwei Ausstellungen. In den letzten Jahren erschien alle zwei Jahre ein neues Buch. Da sieht man, wie die Kinder größer werden.

Sind Sie in der DDR unter besonderen Bedingungen aufgewachsen?

Ja, das Elternhaus war eine Insel des Kosmopolitismus. Mein Vater stammte aus dem deutsch-jüdischen Bildungsbürgertum. Er war mit Pamela Wedekind und Klaus Mann auf der Odenwaldschule gewesen. Von diesen eineinhalb Jahren hat er zeitlebens geschwärmt. Seine libertäre Haltung passte in die DDR, in diesen Mief, in diese bigotte Spießerrepublik, so ungefähr wie die Faust aufs Auge. Mutter kam aus Wien, sie war ebenso anglo- wie frankophil. Aber beide hatten sich die DDR selber ausgesucht.

Sie selbst sind 1984 nach Strassburg gegangen, weil Sie sich aus der „unerträglichen Nähe zu Deutschland befreien“ wollten. Aber Sie schreiben in deutscher Sprache, Ihr Thema ist die Geschichte Ihrer Eltern, die Suche nach einer jüdischen Identität, mit der Sie Ihre Leser in Deutschland konfrontieren.

Habe ich mir selber eine Falle gestellt? Manchmal frage ich mich, warum ich mich mitten ins Herz des Konflikts hineinkatapultieren muss. Ich lebe inkohärent. Ich hätte sagen können, ich will von diesen Dingen nichts mehr wissen. Stattdessen habe ich mich mitten ins Zentrum dieser deutsch-jüdischen Verstrickung begeben. Ich muss darüber ununterbrochen nachdenken und schreiben.

Sie stellen Ihre eigenen Erfahrungen ungewöhnlich offen in den Mittelpunkt Ihrer Literatur. Haben Sie keine Angst, irgendwann ausgeschrieben zu sein?

Diese Angst habe ich überhaupt nicht. Ich habe auch keine Schreibkrisen. Ich muss ja nicht dauernd schreiben. Ich will auch nicht dauernd schreiben. Ich bin ja keine Schreibmaschine.

Fragen: Hans Happel

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