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Die erste Instanz wird kaum gestärkt

Die Reform des Zivilprozesses kommt – aber lange nicht so wirkungsvoll, wie es sich Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) gewünscht hatte

FREIBURG taz ■ Von den großen Plänen zur Reform des Zivilprozesses blieb nicht viel. Gestern hat der Rechtsausschuss des Bundestages die abgespeckten Vorschläge von Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) abgesegnet. Die Schlussabstimmung im Bundestag ist für nächste Woche geplant, wird aber nur noch Formsache sein. Vor den Zivilgerichten geht es zum Beispiel um Miet- oder Schadensersatzstreitigkeiten. Eine Reform des Strafprozesses soll erst später folgen.

Als die Justizministerin vor zweieinhalb Jahren ihr Amt antrat, wollte sie dafür sorgen, dass Zivilprozesse künftig „schneller und effizienter“ zum Abschluss kommen. Häufiger als bisher sollten sie in erster Instanz, also bei Amts- oder Landgerichten, abschließend entschieden werden. Deshalb wollte Däubler-Gmelin die Eingangsgerichte personell stärken, damit die Richter dort „ausreichend Zeit haben, um den einzelnen Fall gründlich zu bearbeiten“.

Die zusätzlichen Kapazitäten wollte sie durch Einschnitte bei den Berufungsmöglichkeiten gewinnen, außerdem sollten in der Berufungsinstanz häufiger Einzelrichter (statt Kammern) zuständig sein.

Inzwischen ist die personelle Stärkung der Eingangsgerichte aber kaum noch möglich. Denn die Vorschläge zur Verschlankung der oberen Instanzen wurden unter dem Druck von Anwälten, Richtern und Ländern fast vollständig zurückgenommen.

So ist Däubler-Gmelin schon lange davon abgerückt, dass in der Berufung nur noch Rechtsfehler gerügt werden können. Jetzt können auch Tatsachen neu überprüft werden, wenn „Zweifel“ an den Feststellungen des ersten Urteils bestehen.

Der Einsatz von Einzelrichtern wurde als „Kann-Vorschrift“ ganz ins Belieben der Berufungsgerichte gestellt.

Als letzter großer Streitpunkt blieb zuletzt nur die Konzentration aller Berufungsprozesse bei den Oberlandesgerichten (OLG) übrig. Däubler-Gmelin wollte so die eher wissenschaftlich orientierten OLG-Richter besser auslasten.

Doch auch dieser Schritt wurde von den Kritikern „als bürgerfern“ heftig kritisiert, weil Anwälte und Prozessparteien längere Anfahrtswege haben.

Im März lenkte Däubler-Gmelin auch hier ein. Im Rahmen einer „Experimentierklausel“ können die Länder jetzt selbst entscheiden, ob sie die Idee umsetzen wollen oder nicht.

Bisher sind hierzu nur Hamburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen bereit. Im Rest Deutschlands wird die Berufung gegen Urteile des Amtsgerichts weiter beim Landgericht verhandelt. Einige substanzielle Punkte enthält die „Justizreform“ aber immer noch. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, der sich bisher überwiegend mit besonders teuren Rechtsfällen beschäftigte, soll künftig vor allem Grundsatzentscheidungen fällen. So können jetzt auch die Rechtsprobleme von einfachen Leuten zum höchsten deutschen Zivilgericht gelangen.

Außerdem sollen Berufungen gegen Urteile des Amtsgerichts schon bei einem Streitwert von 1.200 Mark (bisher 1.500 Mark) generell möglich sein.

CHRISTIAN RATH

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