: Klassische Unionsrhetorik
CDU und CSU wollen gemeinsam die Zuwanderung steuern und begrenzen. Im „nationalen Interesse“ verzichtet die Union auf alte Forderungen. Aber nicht auf starke Sprüche. Stoiber: Von uns geführte Bundesregierung wird Vorschläge auch durchsetzen
von SEVERIN WEILAND
Deutschland sei kein „klassisches Einwanderungsland“, meinte die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, als sie gestern zusammen mit Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber ein gemeinsames Positionspapier zur Zuwanderung vorstellte. Ein Satz, den der CSU-Chef während seiner Ausführungen im Berliner Bundespressehaus ebenfalls aufgriff und der wohl als rhetorische Verneigung vor den konservativen Flügeln beider Parteien gedacht war. Denn in dem CDU/CSU-Papier „Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung“ wird der neuen Realität mehrfach Rechnung getragen.
Die Zuwanderung, heißt es dort, stelle Staat und Gesellschaft zwar vor erhebliche Probleme. Zugleich könne sie „aber auch im nationalen Interesse liegen“. Erforderlich sei eine „differenzierte Betrachtung des gesamten Zuwanderungsgeschehens“. Das Papier, das auf zuvor erarbeiteten Thesen beider Parteien fußt, schlägt vor, die Begrenzung der Zuwanderung am Maß der Integrationsfähigkeit zu orientieren. Die Steuerung habe die nationalen Interessen und die nationale Identität zu berücksichtigen, die Ausgestaltung der Zuwanderung habe nach „Zahl und Profil in einer Weise zu erfolgen, dass die Integrationsziele erreicht werden“.
Das Asylrecht wollen beide Parteien, wie bereits vor geraumer Zeit von Stoiber und Merkel vereinbart, vorläufig nicht antasten. Asylverfahren will man stattdessen beschleunigen. Sie sollen möglichst nach einem Jahr abgeschlossen werden. Erst wenn diese Maßnahmen nicht greifen, wollen CDU und CSU das Grundrecht auf Asyl in eine institutionelle Garantie umwandeln.
Im Gegensatz zum CDU-Zuwanderungspapier, das vergangene Woche vom CDU-Präsidium verabschiedet worden war, enthält das Positionspapier bei Bürgerkriegsflüchtlingen keinen expliziten Hinweis auf künftige Arbeitsmöglichkeiten. Grundsätzlich will die Union an der Rückführung dieser Gruppe festhalten. Dennoch seien „pragmatische Lösungen“ für jene Fälle, die seit Jahren in der Bundesrepublik lebten und deren Anwesenheit im nationalen Interesse läge, durchaus möglich, ergänzte gestern Peter Müller, der die CDU-Zuwanderungskommission geleitet hatte.
Ähnlich wie der DGB in seinem kürzlich vorgestellten Papier, halten auch CDU und CSU daran fest, dass vor einer Zuwanderung vorrangig das einheimische Erwerbspotenzial ausgeschöpft werden müsse. Die Zuwanderung von Erwerbspersonen setze ein tatsächlich vorhandenes Arbeitsmarktbedürfnis voraus. Per Rechtsverordnung der Bundesregierung soll mit Zustimmung des Bundesrates eine jährliche Zuwanderungsquote festgelegt werden. Bei der Auswahl wünschen sich CDU und CSU ein Punktesystem, das Alter, Schulausbildung und andere Kriterien umfasst. Im gesamten Papier von CDU und CSU fehlt nunmehr der Begriff der deutschen Leitkultur. Schon in der CSU-Vorlage vor wenigen Wochen war dieser Begriff im letzten Absatz und dort ohne den Zusatz „deutsch“ verwendet worden. Ausdrücklich wird stattdessen die Annahme der „Werteordnung unserer christlich-abendländischen Kultur“ verlangt, die vom „Christentum, antiker Philosophie, Humanismus, römischen Recht und der Aufklärung“ geprägt worden sei.
Die Union pocht darauf, ein Gesamtgesetz zur Zuwanderung zu erarbeiten. Die Atomisierung der verschiedenen Rechtsvorschriften führe zu einem „Verlust der Steuerungsfähigkeit“, meinte Müller. Wie weit sich die Union von einstigen Positionen entfernt hat, machte Stoiber deutlich: Eine von der Union geführte Bundesregierung würde „mit Sicherheit“ versuchen, die jetzt präsentierten Vorschläge zu einem Zuwanderungsgesetz zusammenzufassen und auch durchzusetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen