Konsens dank Castor

Atomindustrie unterschreibt die Ausstiegsvereinbarung, nachdem Castor gerollt, Plutoniumverbrennung geregelt und Lagerung finanziert ist

von JÜRGEN VOGES
und HANNES KOCH

Nun ist es wohl bald so weit: Der im Juni 2000 zwischen Bundesregierung und AKW-Betreibern ausgehandelte Atomkonsens soll endlich rechtsverbindliche Unterschriften erhalten. Auch die notwendige Novelle des Atomgesetzes ist fertig. Acht nummerierte Exemplare des Textes liegen bei der Bundesregierung und in den Vorstandsetagen der Stromunternehmen.

Eine Arbeitsgruppe aus hochrangigen Vertretern der AKW-Betreiber, des Berliner Kanzleramtes, des Bundesumwelt- und des Bundeswirtschaftsministeriums hat am Gesetzentwurf gefeilt. Die AKW-Betreiber hätten bereits „zugestanden, dass der Entwurf der Konsensvereinbarung entspricht“, sagte Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne).

Für das knappe Jahr, das seit der Paraphierung der Konsensvereinbarung bereist verstrichen ist, machte der Umweltminister einen „schwierigen Verhandlungsprozess“ in der Arbeitsgruppe verantwortlich. Dabei habe man „die beiden Gesetzeszwecke, Beendigung der Nutzung der Kernenergie und Sicherstellung des geordneten AKW-Betriebes bis zur Beendigung austarieren“ müssen.

Ein Knackpunkt in den Verhandlungen betraf die Nutzung von rund 20 Tonnen Plutonium, das bei der Wiederaufarbeitung deutschen Atombrennstoffes zum Beispiel in Frankreich angefallen ist. „Die Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie das aus dem Ausland zurückkommende Plutonium bis etwa 2018 verwertet haben“, erklärte Trittin.

Die AKW-Betreiber werden den Brennstoff in die so genannten Mischoxid-Brennelemente einbauen, die allerdings nur in einem Dutzend von insgesamt 19 deutschen Meilern verwendbar sind. Die Schwierigkeit bestand unter anderem darin, genaue Verwertungsnachweise von Seiten der Betreiber zu bekommen, um die vollständige Verbrennung des spaltbaren Materials nachvollziehen zu können. Das Umweltministerium hat mit dem Verhandlungsführer des Stromkonzerns Eon erst Ende der vergangenen Woche in einem Briefwechsel vereinbart, dass das Plutonium „bis etwa 2018“ verbrannt sein muss.

Beide Seiten waren außerdem lange Zeit darüber uneins, wer in welcher Höhe für die Lagerkosten spaltbaren Materials aufkommen muss, so lange es nicht genutzt werden kann. Trittin: „In zivilrechtlichen Verträgen hat das Bundesamt für Strahlenschutz mit der Industrie die Finanzierung der Lagerung radioaktiven Materials geklärt.“ Über den Inhalt der Verträge und die Kostenbeteiligung des Staates wollte der Minister keine Angaben machen.

Bundesregierung und Atomkonzerne haben sich geeinigt, nachdem vor rund zwei Monaten der erste Castor-Transport mit abgebrannten Brennelementen unter Rot-Grün ins Zwischenlager von Gorleben gebracht worden war. Die Bundesregierung hatte den Transport für politisch notwendig erklärt und mit Hilfe der Polizei durchgesetzt. Dies galt den Energieunternehmen offenbar als Nagelprobe für die Bereitschaft der Regierung, den Konsens einzuhalten.

„Beide Seiten verhalten sich, als wäre der Konsens heute schon Gesetz“, sagte Jürgen Trittin gestern. Dazu zählt er nicht nur, dass die Regierung ihren Teil besteuert. Auch die Firmen würden die Vereinbarung vom Juni 2000 ernst nehmen. So habe RWE – jetzt ein Teil des Eon-Konzerns – bereits die endgültige Stilllegung des abgeschalteten AKWs Mülheim-Kährlich beantragt, so Trittin. Und auch die Anträge für die Zwischenlager an den AKW-Standorten gingen in diese Richtung – im Sinne der Bundesregierung machen sie einen Teil der umstrittenen Transporte überflüssig.