: Vom Partyflyer ... zum Daimlerplakat
■ Die Werbe- und Designbranche Bremens boomt, kräftig gedüngt vom renommierten Studiengang Gestaltung der HfK. Aber was treibt ein Designer eigentlich? Wir fragten die GfG
Am Dobben 147, ganz ohne Altbremer Stuckwahnsinn. Es gibt schönere Häuser in der Gegend. Unten in der beengten Diele steht ein kleiner Turm Getränkekisten, Beck's ist auch dabei, schließlich ist die Flasche Kunde der Gruppe für Gestaltung (GfG). Die Tür zu den Büros ist schick, Glas, noble Holzgriffe. Edel aber kann man das, was dahinter ist, nicht nennen, eher angenehm funktional. „Marmorboden und Chrom würden nicht zu uns passen“, meint Hanke Homburg, einer der sechs – ausschließlich männlichen – Gesellschafter. „Heutzutage lassen sich die Kunden nicht mehr blenden durch schicke Klamotten und Einrichtung. Ich zum Beispiel besitze keinen einzigen Anzug.“
Schon während des Studiums an der Hochschule für Künste (HfK) wagte die GfG den Schritt in die Selbstständigkeit. Das war 1995. Man bastelte kleine Party-Flyer und ärgerte sich herum, zum Beispiel mit einem Magazin für Flughäfen, das es niemals über die erste Nummer hinaus schaffte. Fünf Jahre später heißen die Kunden BAT, DaimlerChrysler, Kunsthalle. Der Einband der jüngst erstellten Mappe für die Eigenpräsentation besteht aus Pappkarton – soviel Understatement muss man sich erstmal leisten können. „Wir sind nicht die einzigen, die es in Bremen geschafft haben. Die Branche explodiert. Wo sich Produkte immer weniger unterscheiden und der Markt immer härter kalkuliert, da bekommt Design im Kampf um den Kunden ein neues Gewicht.“ Die GfG kümmert sich aber nicht nur um schnöde Verpackung, sondern ordnet auch die Informationsströme von Unternehmen.
Zum Beispiel DaimlerChrysler. Was die GfG für das Bremer Werk erarbeitet, bekommen nur die 16.000 ArbeitnehmerInnen zu Gesicht. Fachterminus: interne Kommunikation. Wenn die Firma zum Beispiel in einer Halle exklusiv für die Belegschaft eine Gesundheitsmesse einrichtet, dann informiert die GfG intern via Firmenzeitschrift, Website, Brief etc. Die Fertigungshallen schmückte man mit schönen Großplakaten der funkelnden C-Klasse, was keineswegs den Besitzneid der Malochenden weckt, sondern sie stolz, frohgemut, gesund und fleißig macht. Zu Ferienbeginn war dann ein Urlaubsgruß fällig, 3 mal 4 m groß – grübel, grübel, dann die Idee: Einer der 22 GfG-MitarbeiterInnen machte gerade Urlaub auf Mallorca, er ließ den Hausfotografen einfliegen und um 5 Uhr früh ging es zum Strand. Unter künstlerischer Beratung des 5-jährigen Sohns wurde die C-Klasse aus Sand gebacken, man könnte auch sagen, in den Sand gesetzt. Mittags, zur Zeit des idealen Lichteinfalls, war das Werk vollbracht und wurde geknipst.
Derlei Tätigkeiten sind nicht unbedingt ein großer Schritt für die Menschheit; und wenn der Werbeaufwand ausgerechnet bei Produkten für Kids immer öfter die Produktionskosten überschreitet, dann findet das auch Homburg problematisch; aber Sandbuddeln macht einfach verdammt viel Spaß – und wenn man dann auch noch dafür bezahlt wird, umso besser.
Spaß machte auch ein Videoclip für Beck's. Im „Rosige Zeiten“, „Tower“, „Modernes“ und all den anderen Clubs der Techno- und Indieszene wäre es nicht gerade passend, mit dem greisen Joe Cocker away zu sailen. Also holte sich die GfG fünf Tänzer vom Bremer Tanztheater, filmte sie und beamte sie mittels Grafikprogramm in den Cyberspace. Jetzt sieht man im Video einen futuristischen schneeweißen Strichmann durch ein kubistisch aufgesplittertes Meer wirbeln. Es ist grün, natürlich. Die Bewegungen reagieren flexibel auf den Rhythmus der Club-Musik.
Die komplizierte Software wurde eigens programmiert von zwei jungen Informatikern im Haus, die irgendwann mehr Lust auf Praxis als auf Profs hatten und das Studium aufgrund unternehmerischen Erfolgs kippten, genau wie so einige der GfGler. „In dem Film stecken mindestens 2.000 Stunden Arbeit.“ Ob sich das finanziell für die GfG lohnt, mag sich Homburg lieber gar nicht fragen. Dafür hat man einen anderen Mehrwert: Stolz. Manche Aufträge bringen Geld, andere Spaß, eine grundsolide Mischkalkulation, mit der man in 2.000 immerhin 2,5 Millionen Mark Umsatz einfuhr. Über die Phase der Selbstausbeutung ist man jedenfalls seit geraumer Zeit hinaus. „Das will gelernt sein. Zwar sorgen an der HfK Fritz Haase und Eckard Jung für Praxiserfahrung, aber wie hoch der Preis für einen Auftrag sein muss, um die laufenden Betriebskosten einzuspielen, erklärt einem niemand.“
Bisher gewann man neue Kunden durch die Empfehlung zufriedener, alter Kunden. In Zukunft will man aktiv akquirieren. Und zwar Projekte, an die man sich später gerne erinnert. Wie zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Bremer Museen. Für die Ausstellung „Blauer Reiter“ in der Kunshalle entwickelte man die schwimmenden Namen im Tümpel der Wallanlagen – da werden die Grenzen zwischen Werbung und Kunst fließend. Für das Focke-Museum gestaltete man ein fahrbares Minimuseum, mit dem das Haus am Ende der Bremer Welt in der Innenstadt für sich werben konnte. Stolz ist man auch auf die Inneneinrichtung der Osteria oder des Schuhladens Thomas Brand im Steintor. „Damals habe ich noch alles selbst zusammengezimmert, Lampen, Tische....“ Homburg war nämlich in einem früheren Leben Tischler. Überhaupt bündelt die GfG viele, unterschiedlichste Qualifikationen. Da gibt es einen Schlosser, einen Innenarchitekten, Bauingenieur, Fotografen, Grafiker. „Da weiß man, was geht und was nicht, und denkt sich nicht irgendwelche Hirngespinste aus.“ Auch das „Modernes“ hat er gehobelt und gedübelt. „Es ist lustig, wenn du mit 28 Jahren den Laden umbaust, in dem du dir mit 18 die Nächte um die Ohren geschlagen hast.“
Mittlerweile werden Einrichtungen an den Mac–s entworfen, und zurzeit kann man im Büro eine Frau sehen, die am Bildschirm die Zahnarztstühle einer Berliner Praxis hin- und herrückt und eine andere, die ebenfalls per Maus die dazugehörigen Wartezimmerstühle in gewagten Schlangenlinien gruppiert. Die Anfertigung aber wird diesmal in Auftrag gegeben.
In den letzten fünf Jahren haben die GfGler so viel gelernt wie noch nie, und zwar nicht nur gestalten. Sie wissen jetzt, wie ein künstlicher Darmausgang funktioniert; und dass es eine Branche namens Verschleiß-Schutz-Technologie gibt, die Ölbohrmaschinen mittels Plasmastrahl härtet. Gestern quatschte man mit den Maklern der Gewoba, heute mit Kunsthistorikern und Museumspädagogen oder den Profs und Putzen der Uni. Kürzlich nämlich homogenisierte die GfG den Auftritt der Uni, vereinheitlichte das Layout des ganzen Papierkrams – Broschüren, Briefbögen, Plakate. Langweilig wird dieser Job wohl nie. bk
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