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Vor dem „Tag der Katastrophe“

Nach Erschießung von fünf palästinensischen Polizisten fordern Palästinenser eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats. Demonstrationen zum Jahrestag der Staatsgründung Israels geplant. Hisbullah greift besetzte Chebaa-Farmen an

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Ausgesprochen schockiert reagierte die palästinensische Autonomiebehörde auf die Erschießung von fünf palästinensischen Polizisten durch israelische Soldaten. In einem Appell zur Einberufung des UN-Sicherheitsrats, der über das Verhalten der israelischen Armee beraten solle, heißt es, Israel verübe „Verbrechen gegen das palästinensische Volk“. Palästinenserpräsident Jassir Arafat, der gestern mit dem EU-Nahostbeauftragten Miguel Moratinos zusammenkam, sprach von einem „Mord“ und einer „dreckigen Aktion“.

Die fünf Angehörigen der Zivilpolizei waren in der Nacht zum Montag in dem Dorf Beitunia unweit von Ramallah erschossen worden. Die Polizisten seien bei der Ausübung „verdächtiger Handlungen“ ertappt worden, erklärte die israelische Armee. Bei ihrer so genannten Initiativoperation waren Soldaten einer Fallschirmspringerbrigade und Grenzpolizisten in die Autonomiezone eingedrungen. Ein Militärsprecher ließ auch auf telefonische Anfrage offen, was unter verdächtigen Handlungen zu verstehen sei. Entgegen den israelischen Informationen berichtete das palästinensische Medienzentrum in Ramallah, drei der fünf Polizisten hätten in einem Wohnmobil neben der Wache geschlafen, als die ersten Schüsse abgefeuert wurden. Bei dem Versuch, aus dem Wohnmobil zu fliehen, seien sie unter „heftigen Maschinengewehrbeschuss geraten“ und getötet worden. „Eine hohe Anzahl von Kugeln“ fand der Arzt, der die Autopsie der Leichen vornahm.

Jassir Abed Rabbo, Informationsminister in der Autonomiebehörde, nannte den Vorfall einen „geplanten, kaltblütigen Mord“, der sich in die Politik der israelischen Armee, die „Exekutionen und Massenexekutionen unternimmt“, einfüge. Die Aktion sei eine Umsetzung der von Stabschef Schaul Mofaz angekündigten Strategie, „harte Angriffe auf die Palästinensische Nationalbehörde zu unternehmen, ohne sie zum kompletten Zusammenbruch zu bringen“. Der in Koordination mit der israelischen Armee errichtete Wachposten der zivilen Polizei in Beitunia war bislang nicht an Auseinandersetzungen beteiligt. Allerdings war es an dem nahe gelegenen Kontrollpunkt wiederholt zu Schießereien zwischen Palästinensern und Israelis gekommen.

In der Stadt Tulkarem im Westjordanland zerstörte die israelische Armee am Montag eine palästinensische Polizeistation. In dem Dorf Sinjil, nördlich von Ramallah, errichteten die Soldaten Straßenblockaden, nachdem ein israelischer Siedler mit Steinen angegriffen worden war.

Die Angriffe der israelischen Armee fanden just einen Tag vor dem „Jaum al-Nakba“ („Tag der Katastrophe“) statt, mit dem die Palästinenser der Vertreibung aus dem Gebiet gedenken, in dem vor 53 Jahren Israel gegründet wurde. Die Palästinenser werden heute um 12 Uhr mit einer Schweigeminute der Opfer des Krieges von 1948 gedenken. Anschließend ist die Bevölkerung im Westjordanland und Gasa-Streifen aufgerufen, an Protestzügen gegen die damalige Vertreibung und für das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge teilzunehmen. „Vergesst nicht, was gestern war“, appellierte der palästinensische Dichter Machmud Darwisch.

Die libanesische islamistische Organisation Hisbullah hat am Montag das Ihre zu den Spannungen hinzugefügt und die von Israel besetzten Chebaa-Farmen mit Raketen angegriffen. Verletzte gab es dabei offenbar nicht. Die Bundesregierung hat unterdessen angekündigt, sie werde den Palästinensern zusätzliche Entwicklungshilfe in Höhe von 92 Millionen Mark zur Verfügung stellen.

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