Kommentar: Papiertiger
■ Warum das europäische Naturschutzrecht zahnlos ist – mit fatalen Folgen
Markus Risch, der Geschäftsführer des Internationalen Tierschutzfonds Ifaw hat das Scheitern der Naturschutzverbände vor dem Bundesverfassungsgericht auf den Punkt gebracht. „Ich habe Schwierigkeiten, das meinen eigenen Kindern zu erklären, wenn sie fragen: ,Warum wird das Mühlenberger Loch zerstört, wenn es doch geschützt ist.'“ Kinder denken bisweilen verblüffend einfach und können selbst ausgefuchste JuristInnen in peinliche Erklärungsnöte bringen – oder gerade die.
In der Tat offenbart der Fall Mühlenberger Loch erschre-ckende Mängel bei der Durchsetzung des europäischen Naturschutzrechts. Es ist geradezu zynisch, wenn das Verfassungsgericht argumentiert, die EU-Vogelschutz-Richtlinie und die FFH-Richtlinie dienten zwar dem Interesse der Allgemeinheit am Schutz der Natur, begründeten aber keine individuell einklagbaren Rechte.
Für die Regierungen ist das eine wohlfeile Einladung, das europäische Naturschutzrecht zu ignorieren, sobald andere Interessen nachdrücklich geltend gemacht werden. Obwohl es eigentlich die Regierungen sind, die dieses allgemeine Interesse vertreten müssten, das sie ja selbst einmal als solches definiert haben.
So wie die Dinge jetzt liegen, scheint das Mühlenberger Loch tatsächlich zu einem Präzedenzfall zu werden, der weitere naturzerstörende Projekte nach sich zieht. Denn wenn sich ein EU-Mitgliedstaat nicht um die EU-Richtlinien kümmert, genießt er einen Wettbewerbsvorteil. Der Effekt der europaweit einheitlichen Normen wäre dahin. Gernot Knödler
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