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Nie mehr nur Freundin eines Nazis sein

Sie marschieren mit, halten Transparente mit der Aufschrift „frei – sozial – national“ und rufen „Deutschland den Deutschen“. In jüngster Zeit reihen sich immer mehr Frauen und Mädchen bei den Neonazis in Norddeutschland ein. Seit einem Jahr versucht die Hamburgerin Inge Nottelmann die Kameradinnen in die Mädelschar Deutschland (MSD) einzubinden.

Sowohl über die Website des „Nationalen Widerstands“ als auch im Neonazi-Magazin Zentralorgan sprechen sie die Frauen der Kameraden an: „Ich nahm immer dann, wenn mein Freund Lust hatte, an Demonstrationen teil und habe zu zahlreichen Kameraden/innen Kontakt gehalten und keine Party ausgelassen. Wenn Du mit dieser Antwort zufrieden wärst“, heißt es im Internet, „dann bist Du bei uns verkehrt!“. Wer aber antwortet: „Ich war nicht nur ein Anhängsel meines Freundes, sondern auch dann, wenn er keine Zeit oder Lust hatte, eine Kämpferin für Deutschland. Dann melde Dich!“.

Mittlerweile hat die 1999 bei einem überregionalen Treffen in Hamburg gegründete braune Frauengruppe ein kleines Netzwerk aufgebaut. Nach eigenen Angaben sind die Hamburgerinnen, die aus dem Umfeld des verbotenen „Hamburger Sturms“ kommen, mit Kameradinnen aus Berlin, Rostock und Göttingen vernetzt. Getreu ihrem Selbstverständnis wettern sie gegen „Überfremdung“ und „Mischehen“.

Als Führerin des MSD gilt die 31-jährige Nottelmann. Zwar sei die Szene von Männern geprägt, räumte die Geschichtsstudentin in der Frauenzeitschrift Allegra ein, „aber da muss man sich eben durchsetzen“. Sie wolle, wird Nottelmann dort in indirekter Rede wiedergegeben, „nicht so sein wie Eva Braun, die den Mund nicht aufmachte“. Bei einem Neonazi-Aufmarsch in Bergedorf im Januar vorigen Jahres trat sie als Anmelderin auf und gab den Kameraden aus dem „Aktionsbüro Norddeutschland“ der „Freien Nationalisten“ Befehle.

Doch die Frauen sind nicht nur fest in dem militanten Neonazi-Netzwerk eingebunden, sie führen auch selbst Veranstaltungen durch. Die Kameradinnen reinigten das „76er“ Soldatenehrenmal am Dammtor, um die „Helden“ zu wür-digen, und schulen sich in Rechtshilfetipps und Erster Hilfe für den „nationalen Freiheitskampf“.

„Im Gegensatz zu den anderen rechten Frauengruppen, wie dem Braunen Kreuz, steht die MSD für ein modernisiertes Geschlechterbild“, schätzt Anna Diegelmann vom Antifa-Frauen-Netzwerk ein. Sie wollten nicht nur die klassischen Aufgaben – Gefangenenhilfe, Familienpflege – ausfüllen, sondern auch unabhängig mitkämpfen. „Die inoffizielle Entwicklung“, so Diegelmann, „dass Frauen auch bei den Nazis Politik gestalten, hat mit der MSD einen offiziellen Rahmen bekommen.“ Andreas Speit

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