: Politkrimi im La-Belle-Prozess
Das Gericht im Berliner La-Belle-Prozess will den Kanzlerberater Steiner als Zeugen vernehmen. Dessen Aussage könnte Spannungen zwischen Kanzleramt und Auswärtigem Amt belegen
BERLIN taz ■ Wenn Joschka Fischers Auswärtiges Amt (AA) und Gerhard Schröders außenpolitischer Berater aneinander geraten, dann geht es meist um große Politik und kleine Missverständnisse. Einiges spricht dafür, dass das auch im jüngsten Streit um die terroristische Vergangenheit von Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi so ist. Dort widersprechen sich derzeit Schröders Chefdiplomat Michael Steiner und der designierte Staatssekretär im AA, Jürgen Chrobog.
Jetzt wird das Konkurrenzverhältnis, das es offiziell gar nicht gibt, erstmals vor Gericht durchleuchtet: Das Berliner Landgericht hat beim Bundeskanzleramt um eine Aussagenehmigung für Steiner nachgesucht. Im AA könnte demnächst ein ähnliches Schreiben eingehen, wie ein Gerichtssprecher der taz bestätigte. Der Vorsitzende Richter Peter Marhofer behält sich vor, auch Chrobog als Zeuge zu benennen.
Das Gericht, das den Anschlag auf die Westberliner Diskothek „La Belle“ im Jahr 1986 verhandelt, möchte klären, ob Gaddafi in einem vertraulichen Gespräch mit Steiner am 17. März dieses Jahres in Tripolis die libysche Beteiligung an dem Anschlag eingestand. Auf die Idee kam Richter Marhofer, nachdem Anwälte von „La Belle“-Opfern aus einem Fernschreiben Chrobogs an das AA zitierten. Dort berichtet der derzeitige Botschafter in Washington, Steiner habe bei Schröders Besuch im Weißen Haus berichtet, Gaddafi „habe gestanden, dass sich Libyen an terroristischen Aktionen (La Belle, Lockerbie) beteiligt habe“. Nach Rücksprache mit Steiner dementierte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye allerdings Gaddafis angebliches Geständnis. Seither steht Chrobogs gegen Steiners Wort – mit der Möglichkeit, dass Chrobog Steiner missverstanden hat.
Beim letzten Mal, als Michael Steiner und das AA Ärger miteinander hatten, lag das Missverständnis auf Seiten des Kanzlerberaters. Beim letztlich gescheiterten Versuch, den deutschen Finanzstaatssekretär Caio Koch-Weser als neuen Direktor des Internationalen Währungsfonds durchzusetzen, soll Steiner die Ablehnung der USA nicht rechtzeitig verstanden haben – erzählte man sich seinerzeit im AA.
Ein möglicher Gerichtsauftritt tut weder der Reputation noch der Zusammenarbeit der zwei Spitzenbeamten gut. Nun können sie nur noch auf Ausschluss der Öffentlichkeit hoffen. Der ist nach der Rechtslage möglich, sagte ein Gerichtssprecher der taz, „wenn es um geheime Dinge geht“. PATRIK SCHWARZ
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