: „Von Rechtsfrieden kann noch keine Rede sein“
Warten auf die Wirtschaft: Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Wolfgang Bosbach, zum weiteren Vorgehen der CDU/CSU
taz: Die rot-grüne Koaliton will nach dem Urteil des Berufungsgerichtes in den USA nun offenbar Rechtssicherheit feststellen. Wird die Union zustimmen?
Wolfgang Bosbach: Bereits vor der Entscheidung des Berufungsgerichts haben wir verabredet, in der nächsten Sitzungswoche eine Debatte über diese Frage im Bundestag zu führen. Die Union wird ihre Entscheidung nach Gesprächen mit Graf Lambsdorff und Vertretern der Stiftungsinitiative treffen.
Ärgert es Sie, dass SPD und Grüne gestern vorgeprescht sind und einen Beschluss über die Rechtssicherheit angekündigt haben, ohne mit Ihnen noch einmal Rücksprache zu halten?
Sicher wäre es uns lieber gewesen, wenn es gemeinsam entschieden worden wäre, weil wir auch am Gesetzentwurf gemeinsam gearbeitet haben. Aber uns war von Anfang an klar, dass jede Seite sich darum bemühen würde, als erste zu sagen, dass der Bundestag Rechtssicherheit beschließen solle. Insofern war die Entwicklung nicht überraschend.
. . . und ist für Sie auch kein Hinderungsgrund, einem solchen Beschluss zuzustimmen?
Nein, von diesem zeitlichen Ablauf machen wir unsere Entscheidung nicht abhängig.
Noch zögert die Union. Warum?
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes, die Klagen bei Frau Kram bedingungslos abzuweisen, ist ein großer Schritt in Richtung Rechtssicherheit. Angesichts der noch anhängigen Klagen kann man derzeit aber von Rechtsfrieden leider noch nicht sprechen. Sollte die deutsche Wirtschaft allerdings selbst zu dem Schluss kommen, dass trotz der Bedenken ausreichende Rechtssicherheit festgestellt werden könnte, werden wir diesen Beschluss so schnell wie möglich fassen.
Sie wollen die Entscheidung von der Wirtschaft abhängig machen?
Der deutsche Bundestag wird diesen Beschluss souverän fassen, und die deutsche Wirtschaft wird souverän darüber beschließen, ob sie die versprochene Gegenleistung von fünf Milliarden Mark zur Verfügung stellt. Deshalb ist es wichtig, auch die Argumente der Wirtschaft zu berücksichtigen.
Die Wirtschaft entscheidet, wann sie zahlt?
Es gibt keinen Automatismus dahingehend, dass die Stiftungsinitiative verpflichtet wäre, das Geld in die Bundesstiftung einzuzahlen, wenn der Bundestag Rechtssicherheit feststellt. Es wäre aber ein Politikum, wenn der Bundestag einen solchen Beschluss fassen würde und die deutsche Wirtschaft sich dennoch weigerte, diesen Betrag zu zahlen. Deshalb wäre es wichtig, dass wir in dieser Frage zusammenbleiben würden, Bundesregierung, Bundestag und Wirtschaft.
Haben Sie Angst, dass der Bund auf den zehn Milliarden Mark Entschädigung sitzen bleibt?
Nein, wir haben Sorge, dass die vertraglichen Vereinbarungen nicht eingehalten werden. Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht leider nur die eine Seite der Vereinbarung, nämlich das berechtigte Anliegen, die Opfer möglichst rasch zu entschädigen. Die ebenfalls vertraglich vereinbarte Gegenleistung, nämlich Rechtssicherheit für die deutsche Wirtschaft in den USA, spielt leider so gut wie keine Rolle. Wenn man seine Arbeit als Parlamentarier verantwortungsbewusst wahrnehmen will, muss man aber beiden Seiten Rechnung tragen. INTERVIEW: NICOLE MASCHLER
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