: Polizei prügelt im Dom
Nach einer Spontanbesetzung des Berliner Doms durch Flüchtlinge räumt die Polizei mit Gewalt den Eingangsbereich. Domkuratorin verzichtet nach Gespräch und Gebet auf Anzeigen gegen die Besetzer
von PLUTONIA PLARRE
Der Haupstadtpolizei ist nichts heilig. Bei den Aktionstagen gegen die Residenzpflicht haben Polizeieinheiten am vergangenen Samstag die Arkaden im Berliner Dom gestürmt, um eine Besetzungsaktion zu verhindern. Dabei gingen die Beamten Augenzeugenberichten zufolge mit Fäusten und Füßen gegen die Menschen vor, die sich im Vorraum des Gotteshauses versammelt hatten. Bei der unsanften Räumung wurde ein Mann ohnmächtig.
Die Polizeipressestelle erklärte gestern, von Gewaltanwendung der Polizisten innerhalb der Kirche sei nichts bekannt. Lediglich vor dem Dom habe es „Rangeleien“ gegeben. Auch die Domkuratorin Margit Hilmer zeigte sich gestern unwissend. Hilmer war am Samstag erst im Dom eingetroffen, als die Polizei die Arkaden bereits geräumt hatte. „Davon höre ich zum ersten Mal“, sagte sie, von der taz mit den Augenzeugenberichten konfrontiert. Sie werde den Vorwürfen aber nachgehen, kündigte die Kuratorin an.
Am Samstag hatten rund 3.000 Menschen, darunter zahlreiche eigens dafür nach Berlin gereiste Asylbewerber, gegen die so genannte Residenzpflicht demonstriert. Der Protestzug bildete den Abschluss von Aktionstagen gegen die Einschränkung der Bewegungs- und Reisefreiheit von Asylbewerbern in der Bundesrepublik (taz berichtete). Bei der Kundgebung auf dem Schlossplatz entschlossen sich 21 Menschen zu einer spontanen Besetzung des nahe gelegenen Doms. Man sei mit dem Transparent an dem Kassenschalter im Eingang vorbei in den Altarraum gelaufen und habe verlangt, die Kuratorin zu sprechen, sagte ein politischer Flüchtling aus Kamerun, der dabei war. „Wir wollten die Kirche auffordern, sich öffentlich für die Abschaffung der Residenzpflicht einzusetzen.“
Per Handy erfuhren andere Demonstranten auf dem Schlossplatz von der Aktion. Ein Teil machte sich auf, die Besetzung zu unterstützen. Die Arkaden des Doms waren schon gut gefüllt, als eine Einheit der Polizei im Kampfanzug hereinstürmte und im Laufschritt die Helme aufsetzte. In der Menge befand sich auch der freie Fotograf Christian Ditsch. Er beobachtete eigenen Angaben zufolge, wie Beamte Leute am Kragen griffen und ihnen beim Hinausschieben wie zufällig die Faust ins Gesicht drückten: „Das war alles ziemlich grob.“ In dem Gedränge habe ein Beamter eine Scheibe eingedrückt.
Auf diese Weise vorgehend, hatte die Polizei die Arkaden schnell leer. Die im Altarraum sitzenden 21 Erstbesetzer wurden verschont, bis die Domkuratorin eingetroffen war. Die in Wilmersdorf wohnende Frau war vom Kirchenpersonal von der Aktion unterrichtet worden. Bei dem ersten Anruf hatte sie eigenen Angaben zufolge angeordnet: „Polizei rufen. Dom schließen.“ Ins Auto gesetzt hatte sie sich erst nach einem zweiten Anruf. Als sie in Mitte eintraf, hatte die Polizei schon ganze Arbeit geleistet. Aufgrund der Schilderung des Personals habe sie die Lage vor Ort zunächst als nicht so brisant eingeschätzt.
Immerhin: Die restlichen Besetzer wurden von der Kuratorin höchstpersönlich auf ausgesprochen christliche Art versorgt: Nach einem Informationsgespräch sagte Hilmer ihnen zu, sich in der Kirche für die Forderung der Flüchtlinge einsetzen zu wollen. Für den Fall, dass die Aktion freiwillig beendet werde, sei sie auch bereit, auf eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs zu verzichten. Nach einem in vier Sprachen gebeteten Vaterunser geleitete Hilmer die 21 Personen aus dem Dom, ohne dass deren Personalien festgestellt wurden. „Dafür sind wir von der Polizei aber gefilmt worden“, weiß einer, der dabei war.
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