: Selber schuld
Wilhelmsburger Todesschütze schiebt der Staatsanwaltschaft und einem Opfer Mitschuld an der Ermordung dreier Frauen zu ■ Von Elke Spanner
Er sagt, er hat den Tod der drei Frauen eigentlich nicht gewollt. Er sagt aber auch, dass nicht er alleine Schuld daran trage: „Dass es so weit gekommen ist, dazu hat auch die Staatsanwaltschaft beigetragen“, behauptet Sven B. in seinem „letzten Wort“ vor dem Landgericht. Denn über 20 Mal hatte seine Ex-Freundin Barbara D. ihn wegen Bedrohung angezeigt, „falsch beschuldigt“. Und hätte die Staatsanwaltschaft die häufigen „Verleumdungen“ gestoppt, wäre der Streit zwischen ihm und Barbara D. nicht so weit eskaliert, dass er sie und zwei ihrer Töchter schließlich in ihrer Wohnung in Wilhelmsburg fesselte und erschoss. Voraussichtlich am 31. Mai wird das Landgericht sein Urteil verkünden. Angeklagt ist Sven B. wegen dreifachen Mordes und versuchten Mordes an der überlebenden elfjährigen Tochter.
Es ist das erste Mal, dass Sven B. sich zur Sache äußert. Er tut es an der Stelle, die den Prozess abschließt, an der Angeklagte die Gelegenheit haben, dem Gericht ihre eigenen Worte und Gedanken als letzte mit auf den Weg in die Urteilsberatung zu geben. Zu dem Zeitpunkt sind die juristischen Argumente zwischen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung ausgetauscht, jetzt geht es nicht mehr um Indizien und Beweise, sondern darum, einen letzten Eindruck zu hinterlassen. Doch um einen guten Eindruck sei es ihm in dem Verfahren ohnehin nie gegangen, sagt Sven B., der stets Kaugummi kauend auf der Anklagebank saß. „Ich wollte zeigen, dass mir alles egal ist und ich keine Milde will. Ich wollte nur beweisen, dass die Tat nicht vorsätzlich war.“
Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer lebenslange Freiheitsstrafe für Sven B. verlangt. Er soll seine Ex-Freundin und deren 14- und 15-jährige Töchter aus „niederen Beweggründen“ erschossen haben, um sich an Barbara D. für die Trennung zu rächen. „Er war in seinem männlichen Stolz verletzt“, so auch der psychiatrische Sachverständige. Die Anwälte Uwe Maeffert und Andreas Thiel verteidigen Sven B. gegen den Mordvorwurf. Er sei am Tattag im August vorigen Jahres nicht von einer endgültigen Trennung ausgegangen, habe sich also nicht rächen wollen. Den Tod der Frauen habe er nicht geplant. Nachdem er sie für eine Aussprache gefesselt hatte, habe sich ein Schuss gelöst. Dann habe er einfach weitergeschossen, „es war eine Augenblickstat mit affektiven Elementen“, so Maeffert in seinem Plädoyer.
Dem widerspricht die Aussage der überlebenden Tochter, nach der Sven B. vor den Schüssen angekündigt hatte: „Jetzt ist es aus mit euch.“ Da die Vernehmung der Elfjährigen aber nur per Video bei Gericht eingespielt wurde, könne sich eine Verurteilung wegen Mordes laut Maeffert nicht auf das Mädchen stützen. Die Anwälte verlangten eine zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe für Sven B. Die Rechtsfindung dürfe nicht dem „nachvollziehbaren Impuls“ nachgeben, findet Maeffert, „jemanden, der eine hilflose Frau und ihre Töchter getötet hat, mit der schwersten der möglichen Sanktionen zu bestrafen“.
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