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Wurst & Hip-Hop-Hosen

■ Bei der Abschlussdebatte von Jugend im Parlament lesen die Kids den Oldies kräftig die Leviten / Von 14 Forderungen des Polit-Nachwuchses fand gerade mal eine Gehör

„Die Abgeordneten bekamen drei Gänge, wir Suppe mit Bockwürstchen“, beschwert sich Gunar. „Da wollte jeder auch mal was sagen, menno“, klagt Martin. Und als Robert von der Jungen Union die Bürgerschaftsdebatte vom Donnerstag als „Wahlkampf auch der CDU“ abqualifiziert, ruft einer: „Parteiausschluss!“

Ein paar haben noch Pubertäts-Pickelchen, andere schlurfen mit Plateauschuhen oder Hip-Hop-Hosen durch die Gänge. Früher hätte es „Kinder an die Macht!“ geheißen, heute nennt man es „Jugend im Parlament“ (JiP). Abschlussdebatte über das erste JiP. Im Dezember hatten 100 Jugendliche drei Tage in der Bürgerschaft diskutiert – wie die Großen!

Beim großen Finale sind nur noch knapp 40 Jugend-Parlamentarier da. Auch ein paar Abgeordnete haben sich in die Bürgerschaft verirrt. Auf die Zuschauertribüne. Haben die keine Angst, dass die Kids Herzchen in die Bänke ritzen und das hohe Haus mit Kaugummi verkleben?

Nein, haben sie nicht. Stattdessen bekommen die Oldies kräftig die Leviten gelesen. „Die einzige positive Nachricht aus dem JiP ist, dass von unseren 14 Resolutionen eine in die Tat umgesetzt worden ist“, sagt Martin ernst. „Und zwar der doppeltqualifizierende Bildungsgang für Informatik am Schulzentrum Utbremen.“ Ansonsten ist der Ausschusssprecher für Bildung nur „auf viel Verständnis“ gestoßen. Nett sei es gewesen. Aber: „Immer hieß es: Wir sind ein Nehmerland, da können wir uns keine Extrawürstchen leisten.“

Politikverdrossenheit versus bittere Bremer Realität. Alle bemängelten, das Experiment JiP sei nur eine Alibiveranstaltung der Großen gewesen. Torben kritisiert, „wir dürfen zwar beschließen, und alle Parteien loben, aber im Endeffekt kommt nichts dabei raus. Mitbestimmung findet nicht statt.“ Deswegen auch der Antrag, das JiP beim nächsten Mal im Jahr 2002 schlicht „politische Bildung“ zu nennen.

Am schwersten ist natürlich die Geschäftsordnung. „Lasst uns jetzt abstimmen, ob wir diskutieren oder debattieren, äh, abstimmen wollen“, sagt Parlamentspräsidentin Julia. Dann sind die meisten dafür, Hilde Adolfs Plan, Alkohol erst an Jugendliche ab 18 Jahren abzugeben, abzulehnen. „Natürlich ist es nicht wünschenswert, dass sich 14-Jährige schon die Kante geben“, sagt Frederike. Aber das Problem sei die Kontrolle. Torben fügt hinzu, jeder „findet den Alkohol doch bei Vater und Mutter im Schnapsschrank!“

Auch das geplante Profilabitur findet wenig Anklang. Martin betont, die Schulreform würde das Kombinationsrecht bei den Kursen in der Oberstufe zu sehr einschränken. „Das nennt man dann die Kernfächer stärken. Und außerdem entsteht so ein Murksel, ein neues Fach ,Geschichte und Politik'.“ Margarete sieht im Profilabitur „in erster Linie eine Sparmaßnahme.“ Man müsse „Bildung endlich als Investition begreifen.“

Sie waren tatsächlich wie die Großen. „Schade, dass der andere CDU-Mann heute nicht da war“, grummelt Gunar. „Den hier aus der achten Klasse mach' ich schon immer bei uns auf der Schule fertig.“

Beim Verlassen des Parlaments überkommt CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff das Grübeln: „Eins habe ich heute gelernt: Sie fanden uns nett. Früher fanden sie uns noch nicht mal mehr nett.“

Kai Schöneberg

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