: Im Windschatten des Exkanzlers
Nach Helmut Kohl klagt nun auch die Eiskunstläuferin Katarina Witt gegen die Freigabe von Stasiakten. Das Berliner Verwaltungsgericht wird entscheiden müssen – zwischen dem „Opfer“ und der „Begünstigten“ der Stasi
von WOLFGANG GAST
Nach Helmut Kohl will jetzt auch die Eiskunstläuferin Katarina Witt die Stasiakten-Behörde in Berlin verklagen. Wie der frührere Bundeskanzler will sie damit die Herausgabe der sie betreffenden Stasiakten an Journalisten verhindern. Behördensprecher Christian Booß bestätigte gestern einen entsprechenden Bericht des Magazin Der Spiegel.
Die frühere Olympiasiegerin der DDR beantragte dazu am Freitag beim Verwaltungsgericht Berlin eine einstweilige Anordnung. Der Akten-Behörde soll darin die Freigabe von 1.354 Blatt Stasiunterlagen untersagt werden. Witts Anwalt Heinz Düx vertritt dem Spiegel zufolge die Auffassung, dass es sich bei den gesammelten Informationen „durchweg um personenbezogene Daten“ handele, „die die Öffentlichkeit nichts angehen“. Katarina Witt, die bereits 1995 in einer Autobiografie Teile der über sie angelegten Stasiakten veröffentlichte, erklärte dazu: „Die Akten sind so intim wie Tagebücher, und ich möchte nicht, dass Menschen nun ein zweites Mal in meinem Leben lesen.“
Der Fall Witt ist allerdings mit der Causa Kohl nur bedingt vergleichbar. Der Altkanzler klagt, weil er die gängige Praxis der Akten-Behörde nicht hinnehmen will, wonach Informationen über „Personen der Zeitgeschichte in Ausübung ihrer Ämter“ für die historische Aufarbeitung und für Forschungszwecke herausgegeben werden dürfen. Anlass ist der CDU-Spendenskandal. Kohl fürchtet die Veröffentlichung von Abschriften der Telefonate, die die Stasi abgehört hatte.
Katarina Witt dürfte zwar auch als Person der Zeitgeschichte gelten – darüber hinaus ist sie nach Auffassung der Stasiakten-Behörde aber als „Begünstigte“ der Stasi anzusehen. Von der Stasi überwachte Personen der Zeitgeschichte zählen im Stasiunterlagengesetz zu den Stasiopfern, „Begünstigte“ werden dagegen rechtlich weitgehend mit den früheren Mitarbeitern der Staatssicherheit gleichgestellt.
Die Eisprinzessin war einerseits Opfer intensiver Überwachung durch die Stasi, ihre Wohnung wurde verwanzt, auf hunderten von Seiten beschäftigte sich die Stasi mit Witts Verhältnis zu ihren Trainern. Die Akten belegen aber auch, was der Geheimdienst alles tat, um den Eislaufstar in der DDR zu halten: Die Stasi half bei der Einrichtung der Wohnung, freute sich über ein „echtes Vertrauensverhältnis“ zur Spitzensportlerin. Witt quitierte den Akten zufolge: „Am heutigen Tag erhielt ich vom MfS einen PKW VW Golf [. . .] übergeben.“
Auf Bitten des Verwaltungsgerichts werden die Unterlagen vor einem Urteil nicht freigegeben. Witt lehnte zuvor ein Angebot der Akten-Behörde ab, die nach einer gemeinsamen Lösung suchen wollte, welche der Akten genutzt werden können und bei welchen „die schutzwürdigen Belange“ der Überwachten überwiegen.
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