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Triumph des Unsinns

„Männer rauchen Pfeife, Männer sind furchtbar schlau. Männer bauen Raketen, Männer machen alles ganz, ganz genau.“ Das wusste schon Grönemeyer 1984. Schwanitz belegt nun dessen Thesen

Die Männer wildern in den blühenden Gärten der weiblichen Zivilisation

von ALEXANDER PROVELEGIOS

Dietrich Schwanitz hat Besuch. Die Fernsehkamera des „Kulturreport“-Teams streift über Teller mit Soßenrändern, an benutzten Töpfen und tomatenfarbenen Holzbrettern entlang. Schließlich bleibt sie an einem bärtigen Mann hängen, der entschuldigend die Arme hebt: „Tja, Sie sehen es ja selbst, die Küche ist nicht meine Welt.“ Macht der Mann Witze? Nein, Dietrich Schwanitz meint das ernst und hat deshalb sogar ein Buch geschrieben – eine populäranthropologische Studie, die sich liest wie ein Steifzug durch die Mottenkiste des Feminismus. Frauen haben es ja schon immer gewusst, aber endlich sagt es mal einer von ihnen selbst: Männer sind Schweine.

In der Sprache des Exprofessors heißt das eleganter: „Männer. Eine Spezies wird besichtigt“. Das klingt lustig, das klingt spannend, das klingt nach Konrad Lorenz, dem Übervater der gemeinen Graugans. Aber was hat das mit dem Bestsellerautor Schwanitz („Campus“, „Bildung – Alles, was man wissen muß“) zu tun? Ist er unter die Verhaltensforscher gegangen? Er ist! Das Objekt Schwanitz’schen Erkenntnisdranges ist: der Mann.

Neugierig reisen wir mit ihm durch dessen natürliches Habitat: „ ... so wie der Büffel große Flächen von Steppe mit Tümpeln, Suhlen und Schlammlöchern braucht, so braucht der Mann Hobbykeller, Garagen, Sportplätze und Kneipen, wo er sich in Gesellschaft anderer Männer suhlen kann.“ Keine Zeit, sich verwundert die Augen zu reiben, schon taucht ein Prachtexemplar von einem Mann an der Tränke auf: „Maria, hast du den Whisky weggeschlossen? Was, du hast ihn ausgegossen, den teuren Whisky?“ Ja, du glaubst wohl, mit mir – wang! zack! bumm! –, jetzt liegst du da, aber das kannst du mit mir nicht machen! Nicht mit mir! Mit mir nicht! Entsetzt begreifen wir, dass dieser Mann seine Frau geschlagen hat. Doch es kommt noch härter: Der Neandertaler im Anzug will sich paaren. Dazu wetzt er sein schreckliches Organ: „Sein Körper wird zum Messinstrument, an dem der Zeiger den Stand der Virilität anzeigt. [...] Mit deutlich markierter Leuchtfärbung kündet der Phallus von der sexuellen Gespanntheit des Körpers. [...] Wie prächtig ist er im Zustand des Selbstbewusstseins! Bis zur Lächerlichkeit stolz und berstend vor Kraft. Ein Triumph der Energie. Ein Baumstamm, der aus dem Unterholz hinauf in den Himmel reicht.“

Jede Seite macht klarer, aus welchem Holz die „Spezies“ Mann in Schwanitz’ Wirklichkeit geschnitzt ist: Determiniert von ihrer animalisch-patriarchalen Prägung wildern die tumben Toren in den blühenden Gärten weiblicher Zivilisation.

Für den Verhaltensforscher Schwanitz ist jetzt der Moment gekommen, den Fall an Pflichtverteidiger Schwanitz zu übergeben. Die erdrückende Beweislast – von ihm selbst aus angestaubten Anklageschriften zusammengestellt – lässt nur eine Strategie zu: Schwanitz plädiert auf schuldig, allerdings bei stark verminderter Schuldfähigkeit, denn sein Mandant, der Mann, sei nur Erfüllungsgehilfe archaischer Mächte: „In der Jagd musste er sich auf das Beutetier konzentrieren. [...] Der Mann wurde so zu einem Intensivbeobachter. Und sofern die Frauen seine Beute wurden, wurde er ein Voyeur und Pornograf. Die Sexualität des Mannes ist tendenziell pornografisch.“

Doch Schwanitz verlässt sich nicht allein auf das eigene Argumentationsgeschick. Er führt eine Armada prominenter Zeugen von Shakespeare über Wittgenstein bis zu James Joyce und Heidegger ins Feld, um seine steinzeitlichen Theorien und Schlussfolgerungen bestätigen zu lassen. Und: Er macht sich listig bereits vor Prozessbeginn beliebt, indem er sich bei der weiblichen Staatsanwaltschaft stellvertretend für alle Frauen bedankt: „Sie allein haben mich gelehrt, was emotionale Großzügigkeit ist.“ Kann er da nicht auf ein kleines Entgegenkommen rechnen, wo er doch den Kopf des Angeklagten so praktisch auf dem Silbertablett serviert? Das Urteil über den Mann fällt dementsprechend aus: Bewährungsstrafe mit Zwangseinweisung in die offene Rehabilitation. Sozialprognose negativ. Quod erat demonstrandum.

Weil Schwanitz’ Schreibstil so locker, leicht und unwiderstehlich ist, wie ein Kuss am Strand, will man das Buch überzeugt zuklappen. Doch überzeugt wovon? Dass Männer nicht zuhören können, nicht selbstlos lieben und zwar weder ihre Frauen noch ihre Kinder? Dass sie lieber mit ihren grölenden Horden besoffen ins Fußballstadion ziehen, statt über Beziehungsprobleme zu reden? Dass Männer anstelle eines zweiten X das „Macho-Gen“ Y im Erbgut tragen und deshalb nur halb so kultiviert sind wie Frauen? Schwanitz’ Thesen klingen so altbacken, dass selbst eingefleischte Feministinnen darüber nur den Kopf schütteln werden.

Was aber treibt Dietrich Schwanitz dazu, sein eigenes Geschlecht zu schlachten? Doch halt: Ist er überhaupt ein Mann? Könnte er als Wissenschaftler seinesgleichen mangels Distanz überhaupt seriös analysieren? Auch Konrad Lorenz war schließlich keine Graugans. Der Verdacht scheint sich zu bestätigen. Schwanitz gehört offensichtlich keiner der zwölf Unterrassen vom Hobby-Gott über den Intellektuellen bis zum Tyrannen an, die er selbst zur einfacheren Artenbestimmung entwickelt. Der Kategorie des neuen Mannes – selbst von Feministinnen auf einen Anteil von über 30 Prozent geschätzt – scheint Schwanitz noch nie begegnet zu sein: Männer, die altväterliche Rollenmuster längst abgelegt haben. Möglicherweise weil Schwanitz’ Blick auf das männliche Geschlecht beim eigenen Jahrgang endet?

Da fällt mir mein Vater ein, ein Altersgenosse von Schwanitz. Als Womanizer erster Kategorie verkörpert er alles, wofür Männer seit 30 Jahren kritisiert werden. Habe ich ihn jemals ein gutes Wort über Männer sagen hören? Natürlich nicht, warum sollte er auch loben, womit er konkurriert? Auch Schwanitz hat kein gutes Wort übrig für die Konkurrenten, gegen die er sich bis zum Professorentitel durchgebissen haben muss. Wie vielen seiner Artgenossen hat er die Grenzen aufgezeigt, um auf der Erfolgsleiter ganz nach oben zu klettern, bis in den Himmel deutscher Bestsellerautoren? Und sagt nicht Schwanitz selbst, dass man einen Mann daran erkennt, dass er Witze reißt, statt zu argumentieren, und Vorträge hält, statt zu diskutieren?

Doch Schwanitz hält sich ein Hintertürchen offen. Er führt den Dauerkonflikt zwischen Mann und Frau als antike Tragikomödie in acht Szenen vor. Amphitryon muss dazu herhalten, die anthropologische Konstante einzuführen, als gehörte die Idiotie zum Mann wie Krieg und Religion zur Menschheitsgeschichte. Als sei das Verhältnis zwischen Mann und Frau ebenso naturgesetzlich festgeschrieben wie die Feindschaft zwischen Hund und Katze.

In dieser szenischen Darstellung ist neben den armen Betroffenen selbst übrigens auffallend häufig von Göttern die Rede. Was will uns das sagen, in unseren Zeiten, in denen sich Götter doch so selten zeigen? Ist Schwanitz etwa selbst einer? Falls ja, wäre das endlich der Beweis, dass Götter doch männlich sind, einen Bart haben und nie spülen. Aber was bedeutet das im Zeitalter der Spülmaschine schon.

Dietrich Schwanitz: „Männer. Eine Spezies wird besichtigt“, 325 Seiten, Eichborn, Frankfurt a. M. 2001, 44 DM (22,50 €).

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