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Vor und hinter der Polizei

Rot-Grün nicht geschlossen hinter neuem SPD-Innensenator Olaf Scholz: Sechs stimmten in der Bürgerschaft gegen ihn  ■ Von Sven-Michael Veit

Kaum war er als Hamburgs neuer Innensenator vereidigt, da musste SPD-Landeschef Olaf Scholz auch schon vor der Bürgerschaft seine erste Rede halten – unter zusätzlich erschwerten Bedingungen: Denn gerade einmal 60 Ja-Stimmen gegen 51 Neins hatte er zuvor bei der geheimen Abstimmung im Landesparlament erhalten. Das reichte bei 111 abgegebenen Stimmen zwar, aber sechs rot-grüne VolksvertreterInnen müssen gegen Scholz' Ernennung gestimmt haben.

Da bei der CDU ein halbes Dutzend ParlamentarierInnen fehlten, konnte die vereinigte Opposition aus Union, Regenbogen und dem fraktionslosen Abgeordneten Forst auf höchstens 45 Ablehnungen kommen. Ein Ergebnis, das für zufriedenes Feixen beim Unions-Spitzenmann Ole von Beust sorgte und für erregte Diskussionen in der rot-grünen Koalition. SPD-Fraktionschef Holger Christier beteuerte umgehend, „dass meine Fraktion geschlossen für Olaf Scholz gestimmt“ habe, die GAL nahm für sich desgleichen in Anspruch. Woher beide diese innere Fraktionssicherheit nahmen, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Nur SPD-Landesgeschäftsführer Werner Loewe zuckte gelassen die Schultern: „Das reicht, und den Rest wird Olaf Scholz noch für sich gewinnen.“

Ole von Beust ging danach metaphorisch in die Offensive: „Dieser neue Besen ist ein alter Schrubber“, wirkungsvolle Maßnahmen zur Bekämpfung der Kriminalität „in dieser Hauptstadt des Verbrechens“ seien auch von Scholz nicht zu erwarten. Ursprünglich hatte von Beust gestern den Rücktritt von Innensenator Hartmuth Wrocklage per Parlamentsantrag fordern wollen. Der Mann war bekanntlich scheller, und so formulierte die Union ihren Antrag flugs um in eine Debatte über Wrocklages Rücktritt. Hauptsache, das Thema wird im Wahlkampf am Kochen gehalten, und sei die Debatte auch noch so fade.

Bürgermeister Ortwin Runde lobte die mannigfachen Verdienste des Ex-Senators so ausführlich, dass sich die Frage aufdrängte, wie jener an das „Ex“ kam, und noch ausführlicher dessen Nachfolger, der demonstrativ direkt neben Runde und dessen grüner Vize Krista Sager in der ersten Reihe der Senatsbank sitzen durfte. Der grüne Polizist Manfred Mahr kritisierte die Medienkampagne der vergangenen Wochen gegen Wrocklage als „agitatorische Allianz aus Substanzlosigkeit, Intrigen und Indiskretionen“. Seinem Nachfolger versprach er „konstruktiv-kritische Unterstützung“. Susanne Uhl (Regenbogen) forderte Scholz auf, „populistischer und reaktionärer Panikmache wie von der CDU“ entgegenzutreten.

Scholz selbst beteuerte ohne erkennbare Nervosität, er sei „liberal“, habe aber „keine Beißhemmungen gegenüber Kriminellen“. Er werde, kündigte er an, gleichzeitig „vor“ und „hinter der Polizei“ zu stehen. Die SPD-Fraktion klatschte geschlossen begeistert, aber nicht alle Grüne. Was mit dem vorherigen Abstimmungsergebnis bestimmt nichts zu tun hat.

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