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Im Reich der Säfte

Glück ist eine Kugel: Kaze Shindo zeigt in ihrem Filmdebüt „Love/Juice“ das Leben von zwei jungen Japanerinnen, die Liebe suchen und gefräßige Piranhas finden

Irgendwie ist es immer wieder das japanische Kino, in dem sich die zartesten Bilder finden. In Kaze Shindos „Love/Juice“ sieht alles nach einer Wiederbegegnung mit Platons Kugelmenschen aus: Zwei Frauenkörper formen im diesigen Morgenlicht einen friedlichen Kreis. Wenigstens im Schlaf scheinen sich ihre Seelen vereinigt zu haben. Denn ansonsten läuft die eine der anderen immer davon.

Die beiden Mädchen Kyoko und Chinatsu sind im neondurchfluteten Tokio auf der Suche nach sich selbst und der anderen Hälfte der Kugel. Während die eine fröhlich-unbekümmert ihren Weg geht, verschließt sich die andere immer mehr. Man teilt sich Tisch und Bett, doch irgendwann will Chinatsu mehr.

Ohne Geschwafel bekommt Kaze Shindo in ihrem Regiedebüt die so genannten schweren Themen in den Griff oder, besser gesagt, ins Bild. Unerfülltes Begehren, unbestimmte Sehnsüchte – alles findet sich in völlig unaufgeregten Einstellungen wieder. Plötzlich nippt Kyoko morgens nicht mehr an der gemeinsamen Teetasse, plötzlich sieht sie durch die Freundin hindurch, und der Joint wird nicht mehr gemeinsam geraucht.

Das japanische Kino ist es auch, das zu drastischen Mitteln greift, um doch zu einer wie auch immer gearteten Vereinigung zu kommen. Insofern lässt sich „Love/Juice“ als symbolisch aufgeladene, nicht minder konsequente Variante von Nagisa Oshimas Klassiker „Im Reich der Sinne“ lesen. Da gibt es das Aquarium mit dem gefräßigen Piranha, der die armen Nachbarfischchen anknabbert. Fasziniert schaut man dem Spektakel zu: Sinnbild für das Verhältnis von Kyoko und Chinatsu? Kommentar zur Unmöglichkeit von nicht gefräßigen Beziehungen in einer entfremdeten Gesellschaft?

Jedenfalls scheinen die beiden dann doch noch ihren Weg zueinander zu finden. Nicht umsonst heißt der Film „Love/Juice – Liebessaft“, denn er wartet zu Bobby McFerrins „Don’t worry, be happy“ mit einem ziemlich speziellen Gastmahl auf.

ANKE LEWEKE

„Love/Juice“. Regie: Kaze Shindo, Japan 2000, 76 Min., im fsk

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