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Gefängnisstrafen im Elf-Prozess

Frankreichs Ex-Außenminister Dumas: Vier Jahre. Ex-Elf-Chef Le Floch-Prigent: Dreieinhalb Jahre. Ex-Elf-Schmiergeldmanager Sirven: Vier Jahre. Das ist das Ende des ersten großen Prozesses um die Vergangenheit des französischen Ölkonzerns Elf

aus Paris DOROTHEA HAHN

„Schuldig“. Das Urteil des Strafgerichtes trifft einen der einst höchsten Repräsentanten des französischen Staates. Es fiel exemplarisch aus. Roland Dumas (78), früher Außenminister, dann Präsident des Verfassungsrates, wurde gestern wegen „Missbrauch von Unternehmensvermögen“ zu 30 Monaten Gefängnis – davon 24 auf Bewährung – und zu einer Geldstrafe von einer Million Franc verurteilt. Hohe Gefängnisstrafen erhielten auch drei weitere der insgesamt sieben Angeklagten im allerersten Elf-Prozess. Die schwerste trifft Alfred Sirven, den Mann, der in dem französischen Mineralölimperium die Schmiergeldgeschäfte erledigte, bevor er in den Philippinen abtauchte. Der gestrigen Urteilsverkündung blieb Sirven wieder fern, aus Protest gegen die „Justizparodie“.

Im Vergleich zu den weltumspannenden, milliardenschweren Ausmaßen des gesamten Elf-Dossiers nimmt sich die Affäre, über die das Pariser Strafgericht zu befinden hatte, winzig aus. Es ging um 64 Millionen Franc (20 Millionen Mark), die zwischen 1991 und 1993 aus den Konzernkassen auf dem Umweg über Christine Deviers-Joncour (53) an verschiedene Personen gegangen sind. Darunter auch an den damaligen Außenminister Dumas. Er hat von seiner Exfreundin Deviers-Joncour Geschenke angenommen, die von Elf finanziert waren – ein Paar Luxusschuhe, zwei wertvolle antike Statuetten und Essen in teuren Restaurants – und zusammen mit ihr die Pariser Wohnung genutzt, die sie mit Geldern aus dem damals noch staatlichen Konzern Elf gekauft hatte.

Deviers-Joncour, die ihre Tätigkeit für Elf und ihr Verhältnis zu dem Exminister in drei Bestseller-Büchern vermarktet hat, erhielt gestern eine Gefängnisstrafe von drei Jahren. Ex-Elf-Chef Loïk Le Floch-Prigent (57), der sowohl von Deviers-Joncours Beschäftigung bei Elf als auch von ihren großzügigen Bezügen aus der Elf-Kasse wusste, bekam dreieinhalb Jahre Gefängnis. Gegen ihn laufen im Zusammenhang mit der Elf-Affäre noch 27 weitere Ermittlungsverfahren. Der frühere Vizechef von Elf, Alfred Sirven, der Deviers-Joncour seinerzeit anstellte und instruierte, erhielt gestern vier Jahre Gefängnis. Alle wollen in Berufung gehen.

Die gestrigen Urteile sind die höchsten, die je gegen solche politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen gefällt wurden, die in direktem Kontakt mit dem verstorbenen sozialistischen Staatspräsidenten François Mitterrand standen und von denen mehrere von ihm in ihre Ämter berufen worden waren. Dennoch hat der Prozess nur wenig Neues zutage gebracht. Die Schmiergelder bei einem Rüstungsgeschäft mit Taiwan, die Schwarzgeldüberweisungen in die CDU-Kasse bei der Übernahme des Leuna-Minol-Netzes und die private Bereicherung zahlreicher europäischer und afrikanischer Potentaten aus den Elf-Kassen – all das was die Elf-Affären zum größten Skandal der Fünften Republik macht, blieb ausgeklammert.

Das war kein Zufall. Die beiden Pariser Untersuchungsrichterinnen Joly und Vichnievsky, die sich seit Jahren mit dem Elf-Dossier befassen, hatten ihre Ermittlungen ganz auf die privaten Aspekte konzentriert. Andernfalls hätten sie Exminister Dumas gar nicht vor ein normales Gericht bringen können. Für Verfehlungen von Regierungsmitgliedern in Ausübung ihres Amtes ist ein Sondergericht zuständig, in dem Politiker über ihre Kollegen richten. Es tritt, wenn überhaupt, nur nach langen Vorlaufzeiten zusammen.

Das Pariser Strafgericht ging nicht einmal der Frage nach, warum Elf die Beziehung zwischen Dumas und Deviers-Joncour so großzügig bedacht hat. Dabei hatte sowohl Deviers-Joncour selbst als auch frühere Mitarbeiter aus der Konzern-Spitze erklärt, dass sie eine Lobbying-Aufgabe hatte. Sie sollte „ihren Minister“ von dem Verkauf von sechs Kriegsschiffen an Taiwan überzeugen, gegen den er aus Rücksicht auf Peking lange opponiert hatte. Nicht nur Deviers-Joncour hat im Laufe des Verfahrens immer wieder darauf gedrängt, das „Verteidigungsgeheimnis“ aufzuheben. Nach seiner Verhaftung auf den Philippinen, die er selbst eine „Entführung“ nannte, versuchte auch Alfred Sirven die Fregatten in das Verfahren einzubeziehen.

Seither hat Sirven sich eine andere Strategie überlegt. Der einst für die geheimen Kontakte von Elf zuständige Mann, der früher prahlte, er habe genügend Informationen, um die „Republik 20-mal zu sprengen“, und der mit Enthüllungen in alle Richtungen drohte, schweigt, seit er in seiner Pariser Gefängniszelle sitzt. Vor der Urteilsverkündung brachte er das Gerücht in Umlauf, er schreibe seine Memoiren. Zugleich ließen Vertraute durchblicken, Sirven werde nur auspacken, wenn das Urteil gegen ihn milde ausfalle. Die vier Jahre, die er gestern bekam, dürften deswegen viele in Frankreich und im Ausland mit Erleichterung aufnehmen.

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