: Ökostrom für die Laube
Es spricht nichts dagegen, sich eine Photovoltaikanlage auf das Gartenhäuschen zu setzen. ÜberStromnutzung im Kleingarten wird zwar schon ewig gestritten, sie ist aber letztlich meist erlaubt
Wenn die Sprache auf Solaranlagen in Kleingärten kommt, stöhnt Michael Vogtmann vom Solarenergie-Informations- und -Demonstrationszentrum (solid) in Fürth nur noch auf: „Es gibt kein anderes Thema, das so nervt“, sagt Vogtmann über den endlosen Papierkrieg, den das Zentrum bislang für die solare Stromversorgung im Schrebergarten führte. 1998 hatte solid in einer Untersuchung gezeigt, dass Solaranlagen in Kleingärten zahlreiche Dieselgeneratoren und Karbidlampen ersetzen könnten. Heinz Wraneschitz, bis vor kurzem solid-Leiter, hatte sogar im Bundeskanzleramt für das Anliegen geworben.
Gemäß dem Bundeskleingartengesetz darf eine Laube „nach ihrer Beschaffenheit, insbesondere nach ihrer Ausstattung und Einrichtung, nicht zum dauerhaften Wohnen geeignet sein“. Diese Bestimmung hat ihren Grund: Würde die Laube komfortabler ausgebaut, hätte sie schnell den Wert eines Wochenendhauses. Der Pachtzins für die rund 1,3 Millionen Kleingärten in Deutschland darf jedoch laut Gesetz höchstens das Vierfache des ortsüblichen Pachtzinses im Obst- und Gemüseanbau betragen. Damit soll auch finanziell schwächeren Bevölkerungsschichten ein eigenes Fleckchen im Grünen ermöglicht werden. Laut einer Studie des Instituts für Städtebau, Bodenordnung und Kulturtechnik der Universität Bonn zahlten 1997 mehr als drei Viertel aller Kleingärtnerhaushalte für Pacht, Vereinsbeitrag und Versicherung in Westdeutschland zwischen 100 und 300 Mark im Jahr, in Ostdeutschland zwischen 50 und 200 Mark.
Was heißt nun aber „nicht zum dauerhaften Wohnen geeignet“? Das Bundesverfassungsgericht hat 1998 in einer Entscheidung über die Pachtzinsbegrenzung festgestellt, Gartenlauben verfügten über „beachtlich weniger Komfort“ als Ferien- oder Wochenendhäuser, da „Telefon-, Elektrizitäts- und Wasseranschlüsse fehlen“. Mit Verweis auf einen Bericht des Bauausschusses im Bundestag erklärte das höchste deutsche Gericht, der Gesetzgeber habe „den Ausbau der Gartenlauben zu kleinen Eigenheimen mit umfassender Erschließung (Elektrizität, Wasser und Abwasser) ausdrücklich abgelehnt“ (Az. BVerfG 1 BvR 207/97).
Das bayerische Innenministerium beruft sich auf diese Aussagen und vertritt deshalb die Auffassung, dass in Kleingärten so genannter Arbeitsstrom zulässig sei, „soweit er der kleingärtnerischen Bodennutzung dient und nicht in der Gartenlaube verfügbar ist“. Der Strom könne auch aus Solaranlagen gewonnen werden, die aber „nicht zur Ausstattung der Gartenlaube gehören und nicht deren Bestandteil sein“ dürften. Das Land Berlin hat dagegen mit einer neuen Verwaltungsvorschrift vom November 2000 netzunabhängige Photovoltaikanlagen in Kleingärten generell zugelassen, sofern deren Nutzung keine städtebaulichen oder baurechtlichen Gründe entgegenstehen.
Das Thema ist ein politischer Dauerbrenner; Mitte 2000 und Anfang dieses Jahres griff es die Unionsfraktion im Bundestag in zwei Anfragen an die Bundesregierung auf. Die Antwort aus dem zuständigen Bauministerium lautete im Kern: Eine Stromversorgung, die im Kleingarten „das dauernde Wohnen ermöglicht“, ist nicht zulässig, „Arbeitsstrom“ zur Bewirtschaftung der Parzelle, ob leitungsgebunden oder nicht, dagegen schon. Damit, so Staatssekretär Siegfried Scheffler, sei auch der Einsatz von Photovoltaikanlagen „grundsätzlich möglich“. Welche Form der Stromzuführung gewählt werde, falle in die Zuständigkeit der Länder und Gemeinden. Zu einer Novellierung des Bundeskleingartengesetzes, die 1997 die Grünen-Fraktion noch in der Opposition vorgeschlagen hatte, sieht sich die Bundesregierung „zurzeit nicht veranlasst“.
„Die Änderung des Bundeskleingartengesetzes ist ein dramatisches Politikum. Das fasst niemand freiwillig an“, weiß inzwischen Markus Kurdziel, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Am Bundeskleingartengesetz, frotzelt Kurdziel, „wäre beinahe die deutsche Einheit gescheitert“, denn „viele Ostdeutsche haben in ihren Datschen de facto Wohnbetrieb“. Für den Grünen-Mitarbeiter heißt nunmehr die Losung: „Es kommt entscheidend auf die Auslegung des Gesetzes an.“
Die Realität sieht allerdings anders aus als die Begriffsakrobatik von Ministerialjuristen: Den Kleingärtnern geht es in der Regel weniger um Arbeitsstrom als vielmehr um einen Anschluss für Beleuchtung, Radio oder Fernsehgerät am Wochenende. Und so besitzen 76 Prozent der Kleingartenparzellen in den alten Bundesländern und sogar 98 Prozent in den neuen Ländern einen Stromanschluss. Das hat das Institut für Städtebau an der Bonner Uni bei seiner Studie 1997 in einer Umfrage bei 5.000 Kleingärtnern ermittelt.
„Es ist eine Gratwanderung“, sagt Theresia Theobald, Geschäftsführerin beim Bundesverband Deutscher Gartenfreunde, dem Dachverband der Kleingartenvereine, doch ein Stromanschluss allein mache die Laube „noch nicht zum Wohnen geeignet“. Der Bundesverband hält Solarstromanlagen in Kleingärten für möglich. Aber, so Theobald: „Wir schreien nicht Hurra – aus Kostengründen.“ Wegen hoher Ablösesummen von bis zu 3.000 Mark für den Nachpächter empfiehlt der Verband den Kleingartenvereinen Verträge, die den Pächter verpflichten, bei Aufgabe der Parzelle seine Solaranlage mitzunehmen. „Sonst“, sagt Theobald, „werden wir anschließend die Lauben nicht mehr los.“
JOHANNES BERNREUTER
Infos zu Photovoltaik im Kleingarten, zu technischen Anforderungen, Auslegung und Bau, findet man in der Juni-Ausgabe des Solarstrom-Magazins PHOTON, erhältlich im Bahnhofsbuchhandel oder direkt beim Solar Verlag, Wilhelmstraße 34, 52070 Aachen, Telefon (02 41) 4 70 55-0, Fax -9; 6,60 DM zzgl. Porto.
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