: Clements heikle Importpläne
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) will Stammzellen aus Israel importieren und damit eine Lücke im Embryonenschutzgesetz nutzen. Kritik von CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers: „ungeheuerliche“ Ankündigung
von WOLFGANG LÖHR
Während die Politiker in Berlin über die Grenzen der Wissenschaft beim Umgang von Embryonen noch heftig streiten, werden in Nordrhein-Westfalen bereits Fakten geschaffen, um möglichst schnell die Forschung mit importierten embryonalen Stammzelllinien aufnehmen zu können. Auf seiner Israel-Reise, an der auch der Bonner Neuropathologe Oliver Brüstle teilnahm, stellte Ministerpräsident Wolfgang Clement jetzt nach einem Bericht der Financial Times Deutschland finanzielle Unterstützung für die Arbeiten mit importierten Stammzelllinien in Aussicht. Dass bereits konkrete finanzielle Zusagen gegeben worden sind, wollte die Düsseldorfer Staatskanzlei jedoch nicht bestätigen. Clement habe lediglich von einer Unterstützung für ein Gemeinschaftsprojekt zwischen den Universitäten Bonn und Haifa gesprochen. Zusammen mit Forschungsinstituten in den USA und Australien ist die israelische Universität führend bei der Herstellung von embryonalen Stammzellen.
Clement will eine Lücke im Embryonenschutzgesetz nutzen. Dieses verbietet zwar die Nutzung von Reagenzglas-Embryonen für die Forschung. Die Herstellung von embryonalen Stammzellen ist somit in Deutschland verboten. Nicht geregelt ist jedoch die Einfuhr von Zelllinien, die im Ausland aus Embryonen gewonnen werden. Ein Förderantrag des Neuropatholgen Brüstle für Forschungen mit importierten Zelllinien liegt schon seit Monaten bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Vor kurzem erst hatte diese den Brüstle-Antrag auf Wunsch des Bundesforschungsministeriums zurückgestellt.
Schon Clements Forderung, die Forschung an embryonalen Stammzellen zuzulassen und auch die Möglichkeiten der Präimplantationsdiagnostik unter bestimmten Voraussetzungen zu nutzen, war auf harsche Kritik von CDU und Grünen gestoßen. An der jetzt von Clement in Aussicht gestellten Unterstützung bei der Zusammenarbeit zwischen Bonn und Haifa übten die NRW-Landesvorsitzenden der Grünen, Britta Haßelmann und Frithjof Schmidt, erneut „deutliche Kritik“. Clements „eigenwillige Interpretation einer Gesetzeslücke“ sei „äußerst verwunderlich“. Die Grünen lehnen die Forschung an embryonalen Stammzellen grundsätzlich ab. Bereits am Donnerstag hatte auch der CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers die Ankündigung Clements als „ungeheuerlich“ bezeichnet. Der Ministerpräsident schaffe „verhängnisvolle Tatsachen“.
Vor wenigen Wochen hatte der Ministerpräsident stolz Deutschlands ersten „Lehrstuhl für Rekonstruktive Neurobiologie“ an der Universität Bonn präsentiert. Dort soll vor allem Stammzellforschung betrieben werden. Finanziert wird der Lehrstuhl für die ersten fünf Jahre von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung. Diese zahlt rund 3,5 Millionen Mark für die personelle Besetzung. Nach der fünfjährigen Anlaufphase übernimmt die Universität die Gesamtkosten für den Lehrstuhl. Der Lehrstuhlinhaber steht auch schon fest. Es wird Oliver Brüstle.
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