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Nichts wie es ist

Gianluca Tavarellis „Un'amore“ ist nur bedingt ein Liebesfilm  ■ Von Christiane Müller-Lobeck

Der so genannte Seitensprung ist immer für eine verwickelte Komödie gut. Was ist auch schöner, als – bequem zurückgelehnt im Kinosessel – anderen Leuten dabei zuzusehen, wie ihr Leben angesichts eines solchen Ereignisses völlig aus den Fugen gerät und sie beginnen, am laufenden Meter Dummheiten und Infantilitäten zu produzieren. Schaut man sich die zeitgenössische Filmproduktion zum Thema an, gewinnt man leicht den Eindruck, von der publizistisch beschworenen Singlemania könne überhaupt keine Rede sein: Zu häufig hat von zwei sexuell voneinander Angezogenen wenigstens eine der Personen ihr Tun – meist unfreiwillig – vor einem Ehepartner oder einer Ehepartnerin zu rechtfertigen.

Und auch für die ernsten Filme mit Seitensprüngen, wie nun in Patrice Chéreaus Intimacy (siehe Interview im Querschnitt) gilt: Das Bedürfnis nach Sex mit einem anderen/einer anderen steht am Ende stets als Allzumenschliches da – ohne dass die Institution der Ehe grundsätzlich in Frage gestellt werden müsste. „Eine gute Ehe hält das aus“, so die meist nicht einmal implizite Botschaft. Und alles bleibt, wie es ist.

Was aber, wenn der Seitensprung vor der Ehe da war? Und sie weiter begleitet? Gianluca Tavarelli zeigt in Un'amore von den Liebenden Sara und Marco nur die Momente ihres Zusammentreffens. In 12 Episoden fängt der poetische Film 18 Jahre einer scheinbar nie enden wollenden Affäre ein. Als Studierende haben sie sich 1982 kennen gelernt, waren eine Zeit lang zusammen, doch aus Gründen, die Tavarelli bewusst nicht nachvollziehbar macht, trennen sie sich nach etwas mehr als einem Jahr.

Und obwohl die beiden sich in größer werdenden zeitlichen Abständen immer wieder in die Arme fallen, entscheiden sie sich nie dafür, einander zu heiraten. Im Gegenteil, bald geht er eine Ehe mit einer anderen ein, kurz darauf heiratet sie. Wie in Wong Kar-Wais In the Mood for Love sind ihre jeweiligen Ehepartner kaum einmal im Film zu sehen. Sara und Marco treffen sich nun heimlich. Für eine Weile mieten sie sogar ein Appartement für wöchentliche Zusammenkünfte: der institutionalisierte Seitensprung sozusagen.

Am Anfang des Films stand allerdings eine Trennung im Jahr 1998: „Ich wollte nie so leben. Aus Koffern“, verkündet Sara, auch sei sie stets die gleiche geblieben, während er sich unerträglich verändert habe. Und der Angesprochene beteuert pathetisch, ihn treffe diese Trennung nicht, er sei ohnehin schon seit Jahren tot. In den folgenden, die Eingangssequenz zeitlich überholenden Episoden nähert sich die Frage nach dem Zusammensein zunehmend derjenigen nach der Art zu leben. Die titelgebende „Eine Liebe“ gerät so mehr und mehr zum Platzhalter verpasster Chancen im Leben. Mit den Jahren begleiten auch Vorwürfe ihre Beziehung, die um den Verrat von Idealen kreisen.

Ein befreundetes Paar macht es vor: Kaum verheiratet, hüten die beiden derart viele Geheimnisse voreinander, dass keiner bemerkt, wie sehr die jeweils andere Person der gleicht, mit der sie viel lieber zusammen wären. Und so schiebt sich Episode für Episode ein viel bedeutenderes Motiv vor das der „großen Liebe“: Wie lässt es sich anders leben als man es tatsächlich tut, weniger gesetzt, weniger kompromissbereit, weniger angepasst.

Start wegen des KurzFilmFestivals erst 10.6., tägl. 18 Uhr, Zeise

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