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„Wir hatten ein entspanntes Verhältnis“

Ein 37-jähriger soll seine Frau erdrosselt und zuvor die Bremsen ihres Autos manipuliert haben. Doch vor Gericht legt er nur ein Teilgeständnis ab. Ein Motiv ist nicht zu erkennen. Für ihn war das Leben trotz Trennung von seiner Frau gut

Verbrechen ziehen oft weitere Verbrechen nach sich. Wie eine solche Verkettung des Unglücks liest sich auch die Anklage des Falles um den Tischler Volker U., der gestern vor dem Landgericht verhandelt wurde. Dem 37-Jährigen wird vorgeworfen, im November vergangenen Jahres die Bremsen am Fahrzeug seiner Ehefrau Kerstin U. manipuliert zu haben. Die Krankenschwester sollte mit ihrem Fiat einen gefährlichen Unfall erleiden. Als dies nicht geschah, soll Volker U. versucht haben, seine Tat zu verdecken. Darum habe er einen Tag später Kerstin U. mit einem Halstuch in einer Grünanlage erdrosselt, sagt die Staatsanwaltschaft. Die Anklage lautet auf heimtückischen Mordversuch und vollzogenen Mord. Wenn Volker U. in diesen Punkten schuldig gesprochen wird, droht ihm eine lebenslange Haftstrafe.

Volker U. legte gestern im Gerichtssaal jedoch nur ein Teilgeständnis ab. Er habe Kerstin U. in plötzlicher Wut geschüttelt und geschlagen. Aber er habe seine getrennt von ihm lebende Frau nicht töten wollen, sagte er unter Tränen. Die durchgeschnittenen Bremskabel und das Halstuch erwähnte der hochgewachsene, schlanke Mann nicht.

Bis zur Vernehmung weiterer Zeugen bleibt der Fall also unklar: Besonders das Motiv für die Tat wurde in der gestrigen Verhandlung nicht deutlich. Einblick erhielten die Prozessbeteiligten lediglich in andere Seelenwelten des Tischlers.

Volker U. ist demnach ein Mann, in dessen Leben – bis zu jenem verhängnisvollen Sonntag – alles stets nach einem glücklichen, übergeordneten Programm zu verlaufen schien. Seine Frau Kerstin lernte er 1986 in der Tanzstunde kennen. Eine schöne Verliebtheit fiel über die beiden. Die Romanze fing mit Rosensträußen an und endete in einer großen, heiteren Hochzeit, die Volker U. gestern als „traumhaft“ beschrieb. Auch die gemeinsame Wohnung gefiel beiden, es folgten Urlaube nach Österreich und Ausflüge mit netten Freunden. Volker U. machte sich als Tischlermeister selbstständig, der neue Betrieb lief prächtig. Zum herrlichen Glückszustand kam 1993 noch die Geburt der Tochter hinzu. „Wir blickten positiv in die Zukunft“, fasste Volker U. gestern zusammen.

Doch dann begann eine Serie von Einbrüchen in seine Werkstatt. Mehrmals musste Volker U. Werkzeug nachkaufen. Die Versicherung zahlte zu wenig. Der Tischler meldete Konkurs an. An den Schulden und den Gerichtsvollziehern zerbrach die Ehe, sagte Volker U. Seine Frau habe kein Vertrauen mehr zu ihm gefasst. Er zog in eine andere Wohnung, 1998 wurde die Scheidung eingereicht.

Trotzdem war danach ihr Leben irgendwie noch gut. Er und seine Frau hätten immer noch ein entspanntes Verhältnis gehabt, meinte der Angeklagte gestern. Die Tochter erzogen sie gemeinsam. Auch als Volker U. eine neue Freundin hatte, habe er immer wieder versucht, gemeinsame Treffen zu arrangieren, zu Weihnachten, zu Geburtstagen und zum Einschulungstag der Tochter. Diese Zusammenkünfte fanden indes nie statt. Denn die neue Freundin war psychisch krank und sagte die Verabredungen stets ab. Zweimal habe sie auch versucht, sich umzubringen, erzählte Volker U.

Sonst sei aber alles in Ordnung gewesen. Er wollte am 4. November das Auto seiner früheren Frau nur reparieren, manipuliert habe er den Wagen nicht. Der Staatsanwalt hat allerdings noch viele Fragen an Volker U. Der Prozess wird nächste Woche fortgesetzt. KIRSTEN KÜPPERS

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