: CDU mauert gegen Wahlen
SPD will nächste Woche Diepgen durch ihren Fraktionschef Wowereit ablösen. CDU sperrt sich gegen schnelle Neuwahlen. Erstunterzeichner des Volksbegehrens vorgestellt. Ab heute wird unterschrieben
von PHILIPP GESSLER
Nach dem Bruch der großen Koalition beginnt das Ringen um das Ob und Wie von Neuwahlen in der Hauptstadt. Während die CDU von ihrer Bereitschaft zu schnellen Wahlen abrückt, will die SPD diese durch ein geplantes konstruktives Misstrauensvotum in der kommenden Woche möglichst rasch erzwingen. Zugleich stellten sich gestern die Erstunterzeichner des Volksbegehrens zur Durchsetzung von Neuwahlen vor. Die Initiative „Neuwahlen jetzt“ will ab heute in der ganzen Stadt Unterschriften sammeln.
Die SPD kündigte gestern an, den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) über ein Misstrauensvotum stürzen zu wollen und statt seiner SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit wählen zu lassen. Ein entsprechender Antrag soll am Donnerstag nächster Woche in das Abgeordnetenhaus eingebracht werden. Am darauf folgenden Samstag würde dann darüber abgestimmt und Wowereit zum „Regierenden“ gewählt werden können. Am Sonntag will die SPD auf einem Landesparteitag über ihr Vorgehen beraten. Die Bündnisgrünen wollen den Misstrauensantrag der SPD unterstützen.
CDU-Fraktionschef Frank Steffel nannte das Vorhaben der SPD einen „linken Putsch“. Der Sturz Diepgens mit Hilfe der PDS sei die „schwerste Belastung seit dem Ende des SED-Regimes“. Während die Sozialdemokraten eine Wahl am 23. September favorisieren, erklärte CDU-Generalsekretär Ingo Schmitt, unter Beachtung demokratischer Spielregeln und rechtlich einwandfrei sei nur ein Termin Ende Oktober/Anfang November denkbar. Die CDU, so Schmitt, lasse sich den Zeitpunkt für Neuwahlen „nicht diktieren“.
Angesichts der angekündigten Unterstützung des Misstrauensvotums durch die Bündnisgrünen erscheint unterdessen bis zu den Neuwahlen eine rot-grün geführte Minderheitsregierung, toleriert von der PDS, wahrscheinlich. Die Konservativen auf Bundesebene zeigten sich über diese Aussicht empört. Die CSU drohte der SPD mit einem Bundestagswahlkampf gegen Rot-Rot. Generalsekretär der Bundes-CDU, Laurenz Meyer, warf der SPD vor, sie werfe ihre Prinzipien über den Haufen.
Zugleich wächst von gesellschaftlicher Seite der Druck zu möglichst schnellen Neuwahlen. Gestern wurden die Erstunterzeichner des Volksbegehrens für Neuwahlen vorgestellt. Es handelt sich um die Stadtälteste Ella Barowsky (FDP), den Unternehmer Peter Dussmann, den stellvertretenden Ver.di-Chef von Berlin-Brandenburg, Andreas Köhn, den scheidenden Intendanten des Deutschen Theaters, Thomas Langhoff, die Publizistin Lea Rosh und den Berliner Schüler Sebastian Schlüsselburg. Unterstützt werden sie von der FDP, den Grünen und der PDS. Ella Barowsky, 89 Jahre alt und erstmals 1946 in der Stadtverordnetenversammlung, betonte, es sei „gute demokratische Tradition“, die Wähler zu befragen, wenn etwas „schief“ laufe. Offensichtlich sei, dass dies derzeit der Fall sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen